Neues vom Stadtschreiber: Herumziehende Musikanten

Stadtschreiber
 

von Hans-Benno Hauf

Herumziehende Musikanten unterliegen in unserer Gegend in der Mitte des 19. Jahrhunderts peinlicher Aufsicht und behördlicher Kontrolle. So verfügt der Großherzoglich hessische Kreisrat des Kreises Groß-Gerau Dr. Werle am 6. Oktober 1852[1] zur Verbreitung von Bildern und Gedichten mit revolutionärem und unsittlichem Inhalt:

„Die Erlaubnis zum Orgelspielen und ähnlichem Musizieren auf den Straßen oder in den Wirtshäusern ist nur für Jahrmärkte, Kirchweihen und dergleichen Gelegenheiten und nur an solche Inländer[2] zu erteilen, welche eine Bescheinigung ihrer Heimatbehörde darüber beibringen, daß sie sich seither gut betragen haben, namentlich noch nicht wegen Diebstahls, Landstreicherei oder ähnlichen Vergehen bestraft worden sind. Die Musikanten der bezeichneten Art sind vor Erteilung der Konzession dazu angehalten, daß sie diejenigen Lieder, welche sie abzusingen beabsichtigen, der Polizeibehörde zur Einsicht vorlegen, damit von dieser geprüft werden kann, ob die Lieder nicht gegen den Staat, die Religion oder die Sittlichkeit verstoßen. Die zum Absingen genehmigten Lieder sind als solche von der Polizeibehörde auf einem Exemplar eines jeden Liedes zu bezeichnen. Die Gendarmen und Polizeidiener sind dahin zu instruieren, genau darauf zu achten, daß keine anderen als die auf diese Weise genehmigten Lieder abgesungen werden und sich zu diesem Behufe die mit der Genehmigung der Polizeibehörde versehenen Exemplare der Lieder von den Musikanten vorzeigen zu lassen.“

Kaum vorstellbar, wenn es in großherzoglichen Zeiten schon Radio, Schallplatten, CD oder gar YouTube gegeben hätte.


[1] Großgerauer Wochenblatt Nr. 12 vom 18. Oktober 1852

[2] Staatsbürger im Großherzogtum Hessen

 
Klassische Ansicht

Bitte wählen Sie Ihre Cookie-Präferenzen