Neues vom Stadtschreiber: Ortsbürger

Stadtschreiber
 

von Hans-Benno Hauf

Das Gesetz über die Gemeindeordnung für das Großherzogtum Hessen vom 30. Juni 1821 regelt den Erwerb des Ortsbürgerrechts[1]. Ortsbürger kann jeder „großjähriger“ Inländer[2] per Geburt werden, dessen Vater das Ortsbürgerrecht besitzt oder als solcher gestorben ist. Zudem kann jeder großjährige Inländer christlicher Religion[3] die Aufnahme beantragen, es sei denn, er hat keinen guten Ruf, keine „sittliche Aufführung“ oder ist „nach menschlichem Ansehen, sich rechtlich zu ernähren, nicht im Stande“. Der Gemeinderat hat über die Aufnahme zu entscheiden. Bei Ausländern, z. B. aus dem Königreich Bayern, die in der Gemeinde heiraten und oder sich niederlassen wollen, wird ein Leumundszeugnis verlangt[4], meist ausgestellt vom Ortspfarrer oder Schultheiß. Wer von dem Ortsbürgerrecht Gebrauch machen will, muss dies dem Bürgermeister anzeigen, um in das Bürgerregister eingetragen zu werden. Dies darf erst erfolgen, wenn die „Rezeptions- und Einzugsgelder wirklich entrichtet“ sind[5]. Eingetragen wird der Ortsbürgertitel auch in den Kirchenbüchern bei Heiratseintragungen, Namenseintragungen der Eltern bei Geburten und in den Sterberegistern. Urkunden werden den Antragstellern nicht ausgestellt.

Zu den Pflichten gehören Zahlungen des Zehnten an den Landesfürsten, an Pfarrer und Gemeinde, das Erhalten der Gewanne, Furchen der Felder oder das Vorhalten von Feuereimern. So werden am 12. November 1871 bei einer Gemeindeversammlung 114 Ginsheimer Ortsbürger „für sich und ihre Nachkommen“ mit Unterschrift verpflichtet, jährlich die Flurgräben in der Gemarkung zu reinigen.

Nur die Ortsbürger haben das Recht, Gemeinderäte, Kirchenvorstände, Gerichtsmänner für das Ortsgericht zu wählen oder selbst gewählt zu werden. Im Ortsbürger-Register von 1777 – 1909 finden sich 845 Einträge von Männern, eingetragen mit Namen, Vornamen, Geburtsjahr, Geburtsort oder Herkunftsort, Beruf und Konfession. Zu den meistgenannten Berufen gehören Ackermann, Bauer und Landwirt, Fischer, Schiffer, Schneider, Leineweber, Schmied, Schuhmacher, Metzger, Müller und Taglöhner. Aber auch Fabrikarbeiter, Bürogehilfe, Direktor, Eisendreher, Käsefabrikant, Monteur, Schreibgehilfe, Tüncher, Reitmeister und Bierbrauer sind zu finden.

Heute kennt die Hessische Gemeindeordnung in § 8 nur Einwohner und Bürger. Einwohner ist, wer in der Gemeinde seinen Wohnsitz hat, Bürger der Gemeinde sind die wahlberechtigten Einwohner.



[1] Titel III Abschnitt 1 Artikel 41 ff.

[2] im Großherzogtum Hessen

[3] Inländer mosaischer Religion im Besitz des Staatsbürgerrechts waren christlichen Inländern gleichgestellt

[4] einige solcher Urkunden sind im historischen Archiv im Heimatmuseum erhalten

[5] Verordnung über die Führung der Ortsbürger-Register vom 11.01.1823

 
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