Neues vom Stadtschreiber: Dr. Herrmann – Villa Herrmann

Dr. Herrmann - Villa Herrmann
 

von Hans-Benno Hauf

Dr. Herrmann

Dr. Ing. E.h. Hans Herrmann, Vorstandsmitglied der MAN, war Direktor und Leiter des Werkes Gustavsburg, Meister des Stahlbrückenbaues und als starke Persönlichkeit der deutschen Wirtschaft anerkannt. In Würdigung seiner Leistungen und Verdienste ernannte ihn die Technische Hochschule München zum Ehrendoktor, die TH Darmstadt zum Ehrensenator.

Hans Herrmann wurde am 4. August 1865 in Nürnberg geboren. Nach seinem Studium an der TH München trat er 1889 in die Dienste der Maschinenbau AG Nürnberg, der späteren MAN ein.

Als Oberingenieur kam er 1901 mit den Konstruktionsabteilungen nach Gustavsburg, erhielt 1904 Prokura und 1907 die Leitung der Brückenbauabteilung. Für seine großen Verdienste um die Entwicklung des Werkes wurde er 1919 zum Direktor, 1921 zum Vorstandsmitglied und zwei Jahre später zum Leiter des ganzen Gustavsburger Werkes ernannt.

Sein Berufsleben ist eine schier endlose Reihe von Erfolgen nicht nur im Stahlbrückenbau, so dass er in einer Reihe mit den Namen Anton von Rieppel und Gottfried Heinrich Gerber steht. Von seinen Leistungen zeugen Brücken in aller Welt, zum Beispiel in China, der Türkei, Schweden, Frankreich, Bulgarien und Griechenland, Brasilien, Argentinien, Kamerun, Ostafrika u.a.m.

Am 25. November 1932 erlag Hans Herrmann den Folgen eines Schlaganfalls.


Die Villa

Seit dem Jahr 1934 errichtet die Witwe von Dr. Hermann, Frau Betty Herrmann das Einfamilienhaus auf dem 2275 qm großen Grundstück in der Mozartstraße 3 durch Bauunternehmer Bernhard Fischer[1].  (Richtfest im Sommer 1936). 1945 durch die US-Armee beschlagnahmt, zeitweilig Krankenstation wird das Haus ab 1977 an zwei Familien vermietet.

Am 15. Januar 1986 stellt ein Architektenbüro Bauvoranfrage an die Gemeinde zum Abriss zwecks Neubebauung mit Reihen- und Doppelhäusern[2]. Nach Einschaltung der unteren Denkmalbehörde durch den Gemeindevorstand befindet der Denkmalschutz, das Gebäude sei nicht erhaltenswert[3]. 1988 erteilt das Kreisbauamt die Genehmigung auf Abbruch und erfährt heftigen Widerspruch durch den SPD-Ortsverein Gustavsburg[4] und die CDU beantragt den Aufkauf des Hauses durch die Gemeinde zur Abriss-Verhinderung[5]. Unterschriftensammlung der SPD, Ortsbesichtigung des Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschusses und nichtöffentliche Sitzung der Gemeindevertretung im März 1988 führen zum Kaufvertrag mit der Gemeinde und Übergabe am 6. Mai 1988[6].

Ein Jahr später zieht die Volkshochschule in das Erdgeschoss, im Obergeschoss gibt es Büroräume. Im Dachgeschoss wird eine Wohnung eingerichtet. 1991 kommen Kulturamt und Jugendpflege, 1992 die Gemeindebücherei und 1994 die Musikschule ins Haus. 1998 findet auf dem Grundstück erstmals ein Open Air Kino statt, weiht die Gemeinde mit mehreren hundert Gästen den Generationentreff ein und hält der neue Arbeitskreis für Kinder und Jugendliche eine erste Sprechstunde ab. Im Folgejahr beginnt Kultur im Sommer mit dem Film „Verrückt nach Mary“. Hierzu erwirbt die Gemeinde ein gebrauchtes, in einem Bauwagen installiertes Vorführgerät. Zum Abschluss des Kultursommers hält der evangelische Bläserchor bei strömendem Regen eine öffentliche Probe vor vierzig unentwegten Gästen.

Während 1999 die VHS auszieht und 2000 die Bücherei geschlossen wird, werden 2001 die bislang im Bürgerhaus Ginsheim und beim ASB in Gustavsburg befindlichen Sozialstation der Gemeinde, das Pflegepersonal, beide Verwaltungsangestellten und der Zivildienstleistende in der Villa Herrmann zusammengefasst.

2002 feiern die CDU ihr Sommerfest, die SPD das Kumbachfest und der Gesangverein Einigkeit beginnt erstmals ein Singen in den Mai. Der Bereich Öffentlichkeitsarbeit zieht 2003 aus dem Haus aus, der Historiker Dr. Kakucs bis 31. Mai 2004 ein Büro. Am 14.06.2005 wechselt das Kulturbüro mit Musikschule, Seniorenbüro und Jugendpflege in das Ginsheimer Rathaus, 2006 steht eine zweite Boulebahn zur Verfügung.

Nach Auflösung und Übernahme der Sozialstation durch das GPR-Klinikum wird der Öffentlichkeit 2009 ein neues Nutzungskonzept vorgestellt: Monika Trapp und Hans Jürgen Jansen mieteen für 10 Jahre das Haus und richten mit Unterstützung der Gemeinde ein Buch- und Kulturzentrum „Hits für Kids“ ein. Im ersten Stock bezieht der Verein Leseeulen ein Zimmer für die Buchausgabe. In den Folgejahren lebt das Haus mit Kinderlieder-Mitmach-Konzerten mit Wolfgang Hering, überträgt der Rundfunksender HR2-Kultur die Radiosendung „Literatur im Kreuzverhör“ mit dem Schriftstelle Peter Härtling (2009). Es gastieren Elftraud von Kalckreuth (2013), der frühere Regierungschef aus Bremen, Henning Scherf, die ZDF-Sportstudiomoderatorin Katrin Müller-Hohenstein (2014).

Am 11.02.2016 gründet sich mit dreißig Mitgliedern der Verein „Freunde der Villa Herrmann“, in der der Schauspieler und Musiker Walter Renneisen in die tiefsinnige und humorvolle Welt des Christian Morgenstern einführt und der Liedermacher Jürgen Poth in einer speziellen „Weinspitze“ Seniorinnen und Senioren erfreut.

Zu Beginn des Jahres 2019 übergeben Monika Trapp und Hans Jürgen Jansen an die Buchhändlerin Christina Müllender. Schließlich[7] benennt sich der „Verein der Freunde der Villa Herrmann“ in „Verein für Kunst und Kultur auf der Mainspitze“.

Seit März 2023 sind das städtische Kulturbüro und die Musikschule Mainspitze wieder im Haus mit einer wechselvollen Nutzung heimisch.



[1] Urgroßvater von Ursula Fischer 55126 Mainz-Finthen, Cousine von Hans-Peter Herrmann

[2] AZ v. 25.02.1988

[3] 16.01.1986

[4] 03.03. 1988 AZ: SPD OV Gustavsburg bringt Transparent „Gegen Abriß, gegen Spekulation und Total-Bebauung“ an dem Gebäude an

[5] 06.03.1988

[6] letzte Eigentümer sind Hans-Peter und Gisela Herrmann-Nußberger sowie Johanna Eleonore Gockell, geb. Herrmann

[7] am 18. Mai 2022

 
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