Neues vom Stadtschreiber: Winter von 1879 auf 1880

Friedrich Schorr[1], Ginsheim, notiert in seinem Tagebuch: „Nachdem es Anfang Dezember mäßig kalt war, nahm die Kälte vom 9. stets zu und stieg bis auf 15 und 16 Grad, und hielt ununterbrochen bis zum 28. Dezember an. Am 17. Dezember stellte sich der große Rhein, nach dem der Main sich bereits früher gestellt hatte und am 21. Dezember passierten die Leute von hier nach Laubenheim und die Laubenheimer nach Ginsheim. In Mainz wurde der Rhein mit Wagen und Schlitten befahren und es wurden große Eisfeste abgehalten, auch von hier ging es im Wagen über den Rhein nach Mainz. Das Eis war ungefähr 2 Fuß dick. Nachdem wir am 28ten Dezember morgens noch 5 Grad Kälte hatten, fing es abends an zu regnen und wir bekamen Tauwetter. Am 1. Januar 1880 fing der Main an zu gehen und da der Rhein noch fest stand, schoss das Eis bei Kostheim haushoch in die Höhe und der Main schwoll immer mehr an, hatte bereits am 1. Januar abends den Maindamm überstiegen und durchbrochen, wodurch Kostheim, Bischofsheim, Raunheim, Rüsselsheim und die Orte am Main bis Frankfurt in Gefahr kamen und auch teilweise mit dem Vieh flüchtig gingen. Unterdessen wuchs das Wasser immer noch und durchbrach auch am 2. Januar den Eisenbahndamm und Wasser und Eis ergoss sich nun über die Felder, alles niederreißend, was sich ihm in den Weg stellte. Bischofsheim erlitt dadurch großen Schaden, indem viele Baumstücke zerstört und die Äcker einige Fuß hoch mit Kies überschwemmt waren.

Der Main stand nun bei am Ort. Am 3. Januar früh fing auch der Rhein an zu gehen, wodurch die Rheinmühlen, die noch im kleinen Rhein[2] standen, sehr gefährdet wurden und auch eine vom Eis zerdrückt wurde. Ganze Weidenpflanzungen kamen mit dem Eis getrieben, wodurch sich das Eis im Schlunden[3] einige Zeit stopfte und sich einen Ausweg durch die Neuweide brach, die Bäume größtenteils niederdrückend. Das Wasser wuchs bis zum 4. Januar auf 20 Fuß. Von da ab fiel es wieder langsam und die große Gefahr war für Ginsheim vorüber. Am 4. Januar ging ich nach der Gustavsburg, aber welcher Anblick bot sich mir dort. Der Main hatte auch den Rheindamm dicht hinter der Scheuer des Herrn Sauer durchbrochen und das Wasser ergoss sich von da in den Rhein. Aber das Feld war mit Eisschollen wie übersät, die teilweise die Dicke von einen Meter hatten. Bis sie alle verschwunden sind, wird wohl noch eine geraume Zeit dauern.“


[1] geboren am 21.11.1860, gestorben an TBC am 08.08.1892; nach Aufzeichnungen von Dr. Hildegard Kastrup

[2] Altrhein

[3] Altrheinmündung in den Rhein

 
Klassische Ansicht

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