Neues vom Stadtschreiber: Schiffsmüller und Hebamme

Von Hans-Benno Hauf

 

Der in Ginsheim wohnende Mühlenbesitzer[1] Heinrich Mähn verunglückt bei nächtlichen Arbeiten auf seiner Schiffsmühle in der Nacht vom 21. auf 22. März 1892.  Er stürzt von seiner Mühle in den Rhein und ertrinkt. Die Leiche wird am 9. April in Mainz geländet und am 11. April von Pfarrer Adolf Ohly[2] in Ginsheim beerdigt.

Am 2. Oktober beschließt der Gemeinderat[3] unter Vorsitz von Bürgermeister Schneider, der Witwe Maria Mähn geb. Dreyer, die „gegenwärtig den Cursus als Hebamme in Mainz besucht“ einen Zuschuss von Einhundert Mark zu gewähren. Ihr wurde zur Auflage gemacht, die Summe nach fünf Jahren ohne Zinsen in die Gemeindekasse zurückzuzahlen.

Ein solch großzügiger zinsloser Kredit der Gemeinde erscheint ungewöhnlich, aber erklärbar. Obwohl das Ehepaar Mähn noch recht jung war, muss es wohl sehr beliebt gewesen sein und auch als vertrauenswürdig gegolten haben. Anzunehmen ist auch ein großes Verständnis der Gemeinderatsmitglieder, von denen einige Müller und Mühlenbesitzer waren, denn auch sie konnte das gleiche Schicksal treffen. Das gewährte, am 20. Oktober ausgezahlte Darlehen war für Maria Mähn eine Art Ausbildungsförderung. Gerade für Frauen waren in damaliger Zeit die Verdienstmöglichkeiten nicht gerade zahlreich. Neben dem Hebammen-Kurs hatte Maria Mähn offensichtlich einen kleinen Laden eröffnet, denn im Gewerbebuch[4] steht zu lesen: „No. 205. Heinrich Mähn Wittwe, Ladenhändler Specerey, Gewürze & Kurzwaren im Kleinen, angemeldet am 15. Juni 1893.“ Ab wann Maria Mähn als Hebamme tätig war, ist nicht vermerkt. In den Akten findet sich aber ein am 20. Juli 1915 datierter „Gemeinde-Hebammen-Vertrag“ mit der Heinrich Mähn Witwe, die am 18. Mai 1916 einen Pflegevertrag für das von ihr angenommenes Waisenkind unterschreibt. Zumindest bis in das Jahr 1921 war die beliebte, als „Mähne-Momme“ bekannte Witwe als Hebamme in der Gemeinde tätig.

Johann Heinrich Mähn wurde am 27. Oktober 1858 als Sohn des in Ginsheim wohnenden Zimmermann, Gastwirt und Backsteinfabrikbesitzers[5] Friedrich Wilhelm Mähn und seiner Frau Susanne Katharina, geb. Appel geboren. Im Alter von 20 Jahren wird er in der Stammrolle für militärpflichtige Personen[6] noch als Backsteinbrenner bezeichnet. Das Ortsbürgerrecht von Ginsheim erhielt Heinrich Mähn am 30. Dezember 1881 vermutlich weil er die Voraussetzungen schon vor dem normalerweise üblichen 25. Lebensjahr erfüllte. In der Liste der Stimmberechtigten zur Gemeinderatswahl 1883 wird er mit der Berufsbezeichnung Mühlbursche, in den Listen der im Dezember 1885 stattfindenden Volkszählung als Müller auf dem Bleiaubach geführt. Im Heberegister der Gemeinde-Krankenversicherung von 1888 steht er noch bei der Witwe des Friedrich Bernhard Witwe unter Vertrag, die zusammen mit der Witwe von Kaspar Jörtz (Jertz) seit dem 10. Juni 1886 eine Rheinmühle besaß. Am 6. März 1888 schied Heinrich Mähn aus der Gemeindekrankenversicherung aus und wird sich wohl anteilsmäßig in eine Mühle eingekauft haben. 1889 wird er als Arbeitgeber im Krankenversicherungs-Heberegister geführt. Seine Mühlburschen sind Johannes Sixtus Müller und Wilhelm Malkmus, der nach dem tragischen Tod seines Arbeitgebers am 30. März 1892 bei dem Müller Johannes Ittner Arbeit fand.[7]

Am 11. August 1892 eröffnet das großherzogliche Kreisamt den Witwen Mähn und Krug[8], daß die Konzession für die Schiffsmühle infolge Abbruchs derselben als erloschen erklärt wird.


[1] Mitbesitzer Christoph Krug
[2]
Quelle Pfarrchronik
[3]
namentlich Peter Reinheimer I, Philipp Stahl I, Philipp Rauch I, Georg Laun, Nikolaus Guthmann, Joh. Ittner und Georg Kehl I.
[4]
historisches Archiv im Heimatmuseum
[5]
Stammrolle von 1871
[6]
historisches Archiv im Heimatmuseum
[7]
nach Notizen von Hartwig Hirte 1992
[8]
offensichtlich inzwischen auch verstorben

 
Klassische Ansicht

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