Neues vom Stadtschreiber: Rechnungen der Gemeinde 1558 bis 1575

 

Von Hans-Benno Hauf

Älter als alle Ginsheimer Kirchenbücher sind die Rechnungsaufstellungen[1] der Gemeinde Ginsheim, die glücklicherweise die Wirren des dreißigjährigen Krieges überstanden haben. Sie geben Auskunft über die Ausgaben der Gemeinde und sind beredte Zeugnisse vom Leben der etwa 200 Menschen in 52 Behausungen am Ende des 16. Jahrhunderts.

Wiederkehrende Einnahmen stammen aus dem Verkauf von Leseholz und Gras von der Demmerau[2], Neuau, Spittelau und Steglache, von Kopfweidenholz, Pachteinnahmen von der Schaf-, Schweine- und Pferdeweide, von den Bewohnern des verpachteten Pfortenhauses[3], gemeindeeigenen Äckern und Placken, dem Fischgewässer im Main oder vom Alten See[4] und der Steinbrücke[5], Erlös aus dem Verkauf von Obst auf den Auen. Zinserträge kommen von der Nutzung des Backhauses und der öffentlichen Wasserpumpen. Nicht unbedeutend sind Feldrügen, notiert auf Rügezettel, also Strafen für angerichtete Flurschäden. Wenn also einer seine Schweine, Gänse, Rinder und Pferde auf die Weide trieb und nicht aufpasste, konnten die Tiere der Versuchung nicht widerstehen, auf die Äcker zu laufen und Leckerbissen zu ernten. Der Schütz schrieb auf, wen er erwischte[6] und ein paarmal im Jahr wurde abkassiert, auch ohne Rücksicht auf die Prominenz.

An Ausgaben finden wir Bede-Abgaben[7], Wein-Lohn für die Unterkunft und Pflege des Ebers und Zuchtbullen sowie dem Ausbrechen derer Zähne und Abschleifen der Hörner, für das Erlegen von Wölfen, für den Unterhalt von zwei Pferden, für des Grafen Kriegsdienste, für Geländerreparatur am Steg[8], für das Pfropfen von Bäumen auf der Neuau, für Weinlieferungen an die Kirche, Bewirtung der Schweine- und Kuhhirten, für die Renovierung des Backhauses (vier Bütten Kalk, 800 neue Ziegel, zwei Wetterborde, 100 Lattennägel, ein Bund Latten, Anschaffung eines neuen Herdes), des Pfortenhauses (Ziegel, Fenster, Läden, Bretter, Haspeln, Beschläge und Verputz). Weiterhin Zehrung und Lohn für 10 Mann, die dem Grafen fünf Tage beim Hausbau helfen mussten, Verzehr und Vergütung der Gemeinderechner[9]. Für Leistungen beim Aufschlagen des Pfortentors, beim Brandmarken der Schweine für die Eichelmast (mit Kosten für die Kohlen und das Brandeisen), Almosen an Arme und Blinde als Gottes Gebot, Lohn für den Büttel, dem Pfarrer für das Stellen und Reinigen der Uhr, für die Unterhaltung des Pfarrhofs, für die Errichtung eines Schnellgalgens[10] mit Säule, Zinszahlungen an den Mainzer Jakob Garkoch, der den Ginsheimern 100 Gulden geliehen hat. Auch der Pfarrer aus Hechtsheim, der aushalf, als kein Pfarrer da war, wurde verköstigt. Vermerkt ist die Auslagenerstattung für die „Feuerläufer“, die in Mainz, Bodenheim, Flörsheim, Massenheim, Nordenstadt bei Bränden geholfen haben. Geld kostete die Gemeinde auch das Erlegen von einem Biber und ein Geschenk an die Bischofsheimer für das Einfangen tollwütigen Hundes. Auf Kosten des Ortssäckels wurde Wein getrunken bei der Indienststellung der Faselwärter, Schweinehirten, Kuhhirten, Bäcker, bei Verhandlungen und Einkäufen, Arbeitsvergaben an die Handwerker und bei der Fertigstellung der Objekte[11]. Oder bei der Ablieferung des Säugeldes in Dreieichenhain. Schließlich finden wir Ausgaben für die Weisenauer Fährleute, die das Heu des gnädigen Herrn von der Brückwiese über den Rhein brachten oder für die sechs Drescher, die das gräfliche Getreide gedroschen haben. Hie und da sind Angaben für ein Armenbegräbnis, sogar zu Bestattungskosten einer Wasserleiche angeführt. Zu guter Letzt trafen sich die Gemeinderatsmitglieder mit einem Viertel Wein zum Neujahrs-Umtrunk und begannen wieder ihre jährliche Arbeit.


[1] übertragen von Heinrich Tischner und Dr. Hildegard Kastrup

[2] auch Dämmerau, Lage nicht ermittelt

[3] Pfortengasse, heute Rheinstraße 25

[4] vermutlich ein alter Mainlauf nahe Bischofsheim

[5] eine steinern Brücke, bisher nicht lokalisiert

[6] Junker Wolf + Hannemann Schäfer mit den Sauen, Pferden und Kühen auf der Saat, Peter von Laubenheim mit Wiesenfrevel, der Keller mit dem Hund in den Trauben, Konrad Reis mit seinen Pferden im Getreide, Peter mit den Ziegen in der Gerste, Konrad Haft und der Pfarrer mit den Gänsen im Getreide, Matthias mit seinen Pferde in den Fischwiesen, der Amtmänner Junker Jüme, Ader und Geispitz mit Gänsen und Sauen im Weingarten und Roggen, Magd von Jakobs Hein im Hafer

[7] Steuer des Landesherrn für bäuerlichen und bürgerlichen Landbesitz, die jährlich am 11.11. fällig war

[8] über die Steglache?

[9] 1558 - 1575: Konrad Rauch, Nikolaus Lautermann, Konrad Reuß (Reis), Johannes Armbruster, Ludwig Fleck, Dieter Matthäus; Konrad Strohschneider, Dieter im Spitalhof, Simon Haft, der junge Matthias, Heinrich Hofmann, Konrad Haft, Nikolaus Schäfer von Bischofsheim, Paul Roth, Nikolaus Förster, Johannes Nül von Kostheim, Peter von Laubenheim, Wilhelm Kraft, Johannes Philipps, Peter Geiß, Hans Volz, Adam Luley, Johann Müller, Klausmanns Nikolaus, Heinrich Manhardt, Jakob Horn

[10] Schnellkorb, in den der Übeltäter gesetzt und ins Wasser getaucht wurde

[11] mit dem Schmied vertrunken, als er den  Eimer {am Brunnen} aufgehängt hat; hat der Gemeinderat vertrunken, als sie die Wege und Straßen ausgebessert haben und der neue Deich fertiggestellt wurde

 
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