Neues vom Stadtschreiber: Die Ginsheimer Zehntscheuer

 

Große Scheunen auf ehemals herrschaftlichem Grund waren meist dazu ausersehen, den „Zehnten“, die Naturalabgabe der Untertanen an die Obrigkeit, aufzunehmen und zu verwahren. So hatten auch die Ginsheimer die Steuern vom Ertrag der Felder und Fluren an Landgraf oder Herzog, aber auch an Bischöfe und Pfarrer zu bezahlen. Seit vielen Jahrhunderten gab es den Feldzehnt, eine Abgabe von Getreide, Wein, Garten- und Baumfrüchten und den Blutzehnt, der in Tieren und deren Erzeugnissen bestand. Wo die Ginsheimer Zentscheuer einmal gestanden hat, ist in einer alten Familienchronik zu finden. Der 1948 verstorbene Chronist schreibt: „Der Urgroßvater kaufte eine frühere Centscheuer[1] und baute diese in den Hof, hier Ställe für Pferde, Rindvieh und Schweine einbauend.“ Dieser „Urgroßvater“ hieß Friedrich Wilhelm Hübner, diente im Hessischen Chevauleger[2] Regiment in Darmstadt, musste 1810 mit Napoleon nach Spanien und geriet in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1814 nach Ginsheim zurückkehrte. Friedrich Wilhelm Hübner kaufte in der einstigen Obergasse, der heutigen Hauptstraße, eine Hofreite. Da die Gemeinde Ginsheim möglichst inmitten des Ortes eine neue Schule brauchte, wurde die nicht mehr benötigte Zehntscheuer abgeschlagen. An ihrer Stelle steht bis heute das aus dem Raunheimer Wald stammende alte Forsthaus, das zur Schule, später Rathaus wurde und gegenwärtig das Heimatmuseum beherbergt. Die abgeschlagene Fachwerk-„Centscheuer“ [3] erwarb Friedrich Wilhelm Hübner und stellte sie in seine „Hofraithe“. Und dort bei  „Schließe-Hübners“[4] überstand sie alle Unbill und alle Kriege.


[1] Außenmaße ursprünglich 8 mal 13 Meter

[2] Reiter
[3] Bild und Quelle: Mainzer Allgemeine Zeitung- Rhein-Main- 14./15.07.1979
[4] siehe auch H.-B. Hauf:  Die „Dohl“ und die „Schließ“

 
Klassische Ansicht

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