Neues vom Stadtschreiber: Überfahrgerechtigkeit über den Main nach Kostheim

Von Hans-Benno Hauf
nach Aufzeichnungen von Claus Daschmann

Spielt bei der Besitzergreifung des rechtsrheinischen Landes durch die Römer der Rheinübergang zwischen Mainz und Kastel die Hauptrolle, so verlagert sich das Gewicht zu einem Übergang über den Main, als der Statthalter von Mainz und spätere Kaiser Trajan um 80 n. Chr. eine feste Brücke vor der Mainmündung in den Rhein erbauen lässt.  Legionäre, Kaufleute und Händler ziehen jetzt über den Main, wenn sie die Kastelle und Gehöfte zwischen Rhein, Main und Neckar erreichen wollen. Die Römerbrücke liegt nur wenig unterhalb der heutigen Straßenbrücke, in Kostheim ca. 60 m, auf Gustavsburger Seite 105 m von ihr entfernt. Wann diese Brücke zerstört wird ist nicht bekannt, wohl mit dem Niedergang der römischen Herrschaft. Erst aus dem 13. Jahrhundert findet sich wieder eine Nachricht von einem Mainübergang. Vermutlich hat Gerhard von Eppstein[1] das Patronatsrecht der Kostheimer St. Kilianskirche samt dem Zehnten und der Überfahrtsgerechtigkeit über den Main an seine Schwester Irmintrudis, Äbtissin des angesehenen Altmünsterklosters zu Mainz, übertragen. Irmintrudis schenkt im Jahre 1239 das einträgliche Recht dem gesamten Kloster und läßt diese Schenkung durch ihren Vetter, den Reichskanzler und Erzbischof von Mainz, Siegfried von Eppstein, bestätigen. Fast fünfhundert Jahre kann das Kloster die Überfahrtgerechtigkeit am Kostheimer Fahr behaupten. Da der Kostheimer Grundbesitz sich weit bis Ginsheim und Bischofsheim erstreckt, haben die Fergen[2] auch durch das Übersetzen der Bauern vollauf zu tun. Eine Mainansicht aus dem 18. Jahrhundert zeigt, dass vom Gustavsburger Ufer ein Pfad über die Ochsenwiese zur Ziegelhütte[3] am Bleiaubach verläuft. Der Hauptweg geht in Richtung Rüsselsheim. Von ihm zweigen kurz nacheinander Wege nach Ginsheim (Haagweg) und Bischofsheim (Kreuzweg) ab.

Da in Kriegszeiten die wenigen Nachen nicht genügen, größere Truppenverbände in kürzester Zeit überzusetzen, wird immer wieder von Behelfsbrücken von und nach der Mainspitze berichtet. Zwischen Ginsheim und der Mainspitze werden im Laufe der Jahrhunderte eine ganze Reihe solcher Behelfsbrücken über den Rhein geschlagen und der Main bis hin zum Hochheimer Fahr überbrückt. Die erste Kriegsbrücke am Kostheimer Fahr erbauen die Schweden und nutzen sie immerhin drei Jahre. König Gustav Adolf lässt sie im Frühjahr 1632 als Schiffbrücke mit sechzehn Nachen als Unterbau errichten. Am achten September 1635 wird sie bei Aufgabe der Festung Gustavusburg „hinweggefahren“. 1672 lässt der kaiserliche Feldmarschall Graf Montecuccoli unterhalb von Kostheim eine Brücke aus Floßhölzern fertigen. Sie hält aber nur eine Nacht. Deshalb baut er von der Gustavsburg aus aus zwei Schiffsbrücken, um mit seiner Armee über den Main zu kommen. Wie der Herzog Karl V. Leopold von Lothringen im pfälzischen Erbfolgekrieg oder Herzog John Churchill von Marlborough im spanischen Erbfolgekrieg  mit ihren Armeen zwischen Gustavsburg und Kostheim den Main queren, ist nicht bekannt. 1781 hebt Kurfürst Friedrich Karl von Erthal das Altmünsterkloster auf und das Fährrecht geht auf die Mainzer Universität über. Ab 1801 gehört Kostheim für kurze Zeit zu Nassau, dann zu Frankreich, die Mainspitze kommt 1806 zu Hessen und 1808 zur Ginsheimer Gemarkung.  Am dritten November 1813 verfolgen russische Kosaken und ungarische Husaren von Ginsheim und Bischofsheim kommend die flüchtenden Truppen Napoleons. Nach dem Wiener Kongress übernimmt die „Gnädige Herrschaft zu Darmstadt“ die Mainüberfahrt.

Mit der Fertigstellung der Landstraße von Darmstadt über Groß-Gerau an das Kostheimer Fahr im Jahr 1836 verkehren die Postkutschen dreimal täglich in beiden Richtung von Darmstadt nach Mainz und es müssen neue Übersetzungs-möglichkeiten geschaffen werden. Eine feste Brücke gibt es nicht,  die Nachen reichen für Kutschenkapazitäten von bis zu 12 Personen nicht mehr aus. Das neue Fahrzeug, eine breite Fähre mit Landeklappen, im Volksmund „Nehe“[4] genannt, schafft zunächst Abhilfe und eine Posthaltestation mit  Gastwirtschaft „Zur Gustavsburg“ entsteht am heutigen Alten Fährhaus.



[1] Gerhard II. von Eppstein 1289 bis 1305 Erzbischof und Kurfürst von Mainz

[2] Fährleute

[3] Der Wochenblick „Die ersten Gustavsburger waren eigentlich Kostheimer“, H.-B. Hauf, 2014

[4] Der Wochenblick „Was ist eigentlich eine „Neh“, H.-B. Hauf, 2016

 
Klassische Ansicht

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