Neues vom Stadtschreiber: Bayerischer Hof – Kaisersaal – Schwedenhof Haus mit bewegter Vergangenheit

Hotel-Restaurant „Schwedenhof“ 1958
 

An das Haus Darmstädter Landstraße 105 baut der Unternehmer Bernhard Fischer 1902 einen großen Tanzsaal mit Bühne an. Noch im Dezember erhält Johann Hartmann die Konzession für die Gastwirtschaft „Bayerischer Hof“. Zur Jahrhundertfeier der Befreiungskriege von 1813 feiert hier, inzwischen auch „Kaisersaal“ genannt, „halb“ Gustavsburg ein Festkommers und Tanzvergnügen. Kurz zuvor[1] führt der evangelische Kirchenchor das Oratorium „Der verlorene Sohn“ von Wilhelm Rudnick[2] auf. Im Ersten Weltkrieg wird auf Anregung von MAN-Direktor Herrmann eine Volksküche eingerichtet. 1919 gründet sich im Haus ein Arbeiter- und Soldatenrat. Seit 1920 hat Karl Josef Hafner im Haus, das dem MAN-Werk Gustavsburg gehört, die Erlaubnis, Saal und Gaststätte zu führen. Nach dem Zweiten Weltkrieg inszeniert der Männerchor 1949 die Operette „Das Lied der Heimat[3]“ und gibt hier seine Konzerte, der GCC besteigt seine närrischen Bretter und Lehrlinge der MAN erhalten ihre Gesellenprüfung. Die Gustavsburger feiern noch ihre Kerb, Heinz Schenk führt seinen „Blauen Bock“ ins Haus, Joe Ludwig und Rolf Braun brillieren mit Mainzer Humor[4] und der Ministerpräsident von Ceylon, Sir John Kotelawala, wird 1955 im Schwedenhof bewirtet. Im Theaterspiel „Robinson darf nicht sterben“ ist Claus Daschmann  der Hauptdarsteller und Siegfried Nachtmann der „Freitag“ und im Weihnachtsmärchen der Mittelschulklasse M5 unter Leitung von Erich Neliba spielt Christel Geis das „Aschenbrödel“. Im Jahre 1955 kauft der Hotelier Fritz Kohler das Gast- und Wohnhaus und führt es als Renommier-Hotel „Schwedenhof“ mit 50 Betten und Räume für Konferenzen, Empfänge und Familienfeste. Mit dem ADAC, AvD, Automobilclub der Schweiz und dem königlich belgischen Touring Club schließt er Belegungsverträge. In den beiden Bundeskegelbahnen schieben ab 1959 bekannte Mainzer Fassenachter wie Dieter Hummel, Ernst Neger und „Till“ Dr. Scheu oft eine ruhige Kugel.

1972 zieht sich Fritz Kohler aus dem Hotelbetrieb zurück. Der Schwedenhof dient fortan für einige Jahre der Kostheimer Firma Linde als Gastarbeiter-Wohnheim, zeitweise stellt das ZDF Requisiten im Kaisersaal unter. Dann renovieren Renate Heeb, geb. Kohler und ihr Ehemann die Hotelzimmer zu modernen Wohnungen, es ziehen eine Express-Reinigung und ein Schuh-Selbstbedienungsladen Filtzinger ein. Die ehemalige Gaststätte und der Kaisersaal wird zum Lebensmittelmarkt LIDL umgebaut, der am 18.11.1980 öffnet. Quelle- und Post-Agentur, Blumengeschäft, Spielhalle, Second Hand Flohmarkt und Diskothek folgen in der Mieterliste. Heute sind ein „All in Café Gustav“, ein Catering-Unternehmen, eine Firma für Haustechnik und „Uli´s Markthalle für vergessene Schätze“ untergebracht.


[1] am 23.02.1913
[2] deutscher Kirchenmusiker und Komponist 1850 – 1927, Opus 100
[3] Musik Willi Weber, Texte Josef Schaller
[4] 1953

Quellen:
historisches Archiv im Heimatmuseum Ginsheim-Gustavsburg
Renate Heeb 2010

 
Klassische Ansicht

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