Neues vom Stadtschreiber: Gustavsburger Arbeiterrat

von Hans-Benno Hauf

Im Sog des Kieler Matrosenaufstandes und der deutschen Novemberrevolution nach dem ersten Weltkrieg entstehen in Städten und Gemeinden Arbeiterräte1.

Auch in Gustavsburg wählen in einer Volksversammlung am 28. November 1918 Bürger einen Arbeiterrat2 und zeigen dies der „verehrlichen Direktion der M.A.N. Werk Gustavsburg" in einem Schreiben vom 29. November und dem für Gustavsburg zuständigen Beigeordneten Rauch bei der Bürgermeisterei Ginsheim in einem Schreiben vom 30. November im Wunsch eines „gegenseitigen guten Einvernehmen“ an.

Vorsitzender wird Alois Neliba, Beamter bei der MAN; dessen Stellvertreter Gastwirt Pankrat Ditt; Schriftführer Johann Kromen, MAN-Beamter; Sebastian Krimmel, MAN-Sägemeister; Karl Willner, MAN-Arbeiter; Georg Willner, MAN-Arbeiter; Ludwig Wölke, MAN-Arbeiter und Kranführer bei der Eisenbahn Andreas Schneider. Erste Forderungen sind das Instandsetzen des schlechten Zustandes der Straßenbeleuchtung sowie verschiedener Straßen durch „Auffahren von Schlacken als Notstandsarbeiten“.

In einem bereits am 3. Dezember anberaumten Gespräch zwischen dem Beigeordneten Rauch und dem Vorsitzenden Neliba wird der Bezugspreis von Kartoffeln ab Bahnwagen auf sieben, ab Schulkeller auf acht Mark pro Zentner vereinbart.

Einen Tag später beantragt der Rat3 die Vergütung der tatsächlich anfallenden Kosten bei Ausübung seines Amts wie „Lohnentgang, Eisenbahnfahrten und Barauslagen“ durch die Gemeindekasse. Mit dem Hinweis auf eine schwierige Lebensmittelbeschaffung und „traurige Milch- und Fleischverhältnisse“ in Gustavsburg wendet sich der Rat gegen eine Einstufung der Gustavsburger Industriebevölkerung als Selbstversorger und bezeichnet die Behandlung als „Unding“.

Wie lange der Gustavsburger Arbeiterrat tagte und wirkte habe ich nicht feststellen können, die französische Besatzung Mitte Dezember 1918 bedeute aber wohl das organisatorische Ende.

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1. Sie gelten heute als historische Vorläufer von Betriebsräten, Personalräten, also Arbeitnehmervertretungen im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung.

2. Quelle: historisches Archiv im Heimatmuseum Ginsheim-Gustavsburg.

3. Mit Verweis auf die Veröffentlichung des Arbeiter-Bauern und Soldatenrates Darmstadt.

 
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