Neues vom Stadtschreiber... „Postgässje“ in Ginsheim erhält Namensschild

„Postgässje“ in Ginsheim erhält Namensschild

Der schmale Fußweg von der Dammstraße zur Hauptstraße ist seit einigen Tagen mit dem Zusatzschild „Postgässje“ versehen. Bei einem Pressetermin, zu dem der Heimat- und Verkehrsverein (HVV) eingeladen hatte, weihten Bürgermeister Thies Puttnins-von Trotha und der stellvertretende HVV-Vorsitzende, Hans-Benno Hauf, das Schild ein. Damit setzt der HVV sein Projekt „Straßennamen im Volksmund“, fort. Begonnen hatte die Aktion im Jahr 2004 mit der Elisabethenstraße, in der Anwohner das das Zusatzschild „Sandgass“ anbringen ließen. 2005 kam die Friedrich-Ebert-Straße mit der früheren Bezeichnung „Leibwehgass“ hinzu. Danach setzte der Heimat- und Verkehrsverein das Projekt mit weiteren Straßennamen in beiden Stadtteilen fort. Die geschichtlichen Hintergründe zum „Postgässje“ erläutert der Stadtschreiber, Hans-Benno Hauf, im nachstehenden Bericht.

Das Postgässje
von Hans-Benno Hauf

Wie es zu dem Begriff kam erzählt ein alter Vertrag, der am 27. August 1884 zwischen den Hofraithenbesitzern Georg Rauch IV und Johannes Rauch II mit dem Ortsvorstand der Gemeinde Ginsheim abgeschlossen wurde. Nämlich die Nutzung des als Dachtraufe zwischen beiden Häusern liegenden Raums als Durchgang eines öffentlichen Weges nach und von dem Ortsdamm und Ortsstraße zu nutzen. Dazu musste die Gemeinde den Durchgang mit einer Abflussgosse zupflastern und die Reinhaltung gewährleisten.

Johannes Rauch II, seinerzeit Eigentümer des heutigen Hauses Hauptstraße Nr. 57 war am 15.12.1884 Rheinmühlenbesitzer. Im Jahr 1905 verkauft der Nachbesitzer Philipp Kirschner das „Sattlerhaus“ der Familie Fischer, die es heute noch in Besitz hat.

Am 1. Juni 1882 wird von der Kaiserlichen Ober-Post-Direktion Darmstadt in dem heutigen Haus Hauptstraße 59 eine Posthilfsstelle eingerichtet und dem Besitzer, dem Kaufmann Georg Rauch IV die Verwaltung übertragen. 1884 wird die Hilfsstelle in eine Postagentur umgewandelt, 1887 erhält sie eine Telegrafenstation. 1901 kündigt Georg Rauch IV den Vertrag mit der Post, das Haus wird an den Schiffsmühlenbesitzer Karl Volz verkauft. Sein neu eingerichtetes Gasthaus nennt er „Zur Post“ und seitdem heißt bei den Ginsheimern der seit 1884 öffentliche Fußweg zwischen den Häusern „Postgässje“.

Vertrag zwischen Georg Rauch IV. und der Bürgermeisterei vom 27. August 1884 im Wortlaut1:

1) Zur Stellung eines öffentlichen Durchgangs, Fußgänger von der Ortsstraße nach dem Ortsdamm, räumen die beiden Hofraithenbesitzern Georg Rauch IV und Johannes Rauch II für sich und ihre Rechtsnachfolger der Gemeinde für immerhin das Recht ein, den als Dachtraufe zwischen beiden Häusern liegenden Rauch als Durchgang eines öffentlichen Weges nach und von dem Ortsdamm und Ortsstraße zu benutzen.

2) Johannes Rauch II führt den betreffenden Weg durch seinen angrenzenden Garten auf einen Meter lichter Breite auf seine eigenen Kosten bis auf den Ortsdamm unter gleichen in Pos. 1 bemerkten Bedingungen.

3) Johannes Rauch II hat die Herstellungskosten zu Verdichtung und Erhöhung der dem Georg Rauch IV gehörigen Lattenwand, insoweit dieselben über Dreißig Mark betragen, allein zu tragen, während Georg Rauch IV den Betrag bis zu Dreißig Mark allein zu tragen hat, die Verpflichtung des Johannes Rauch II hierbei gilt als einmalig.

4) Die Gemeinde hat den Durchgang zwischen beiden Häusern stets reinzuhalten und mit einer Abflußgosse pflastern zu lassen.

5) Die etwa durch den Durchgang als öffentlicher Weg entstehenden Beschädigungen an Gebäude und Gartenwänden hat die Gemeinde jederzeit wiederherstellen zu lassen.

6) Die Gemeinde gewährt dem Georg Rauch IV hierfür als einmalige Vergütung den Betrag von Einhundert Mark, zahlbar alsbald nach erfolgten Unterschriften, während dieselbe die gegen Johannes Rauch II über Benutzung eines Durchgangs durch dessen Hofraithe geführte Klage aufhebt.

7) Zu Pos. 6 wird bemerkt, daß die Auszahlung der Gemeinde an Georg Rauch IV nach erfolgter Herstellung des Fußpfades erfolgt.

vorgelesen, genehmigt und unterschrieben Großherzoglichl. Bürgermeisterei Ginsheim Schneider Unterschrieben und mit Siegel versehen wurde dieser Vertrag mit „Stahl, ältester Gerichtsmann“.

1 veröffentlicht am 7. September 1984 in der Mainzer Allgemeinen Zeitung von Otto Wenke
 
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