Neues vom Stadtschreiber: "Mord auf der Mainspitze"

von Hans-Benno Hauf

Die heutige Mainspitze bestand zur Zeit der Römer größtenteils wie heute aus Wiesenland. Diese fiscalischen Weideplätze der Römer wurden auf einer Mainzer Inschrift deshalb auch als „Legionswiesen “ bezeichnet. Hier weideten die großen Pferde-, Rinder- und Schafherden, mittels deren das römische Mainz mit Fleisch versorgt wurde. Von einer wahren Moritat, die sich auf der Mainspitze zugetragen hat, erzählt uns die Inschrift auf dem Grabstein eines Mainzer Viehzüchters, der in der Mainzer Rosengasse bei Kanalbauarbeiten 1881 gefunden wurde.

Er berichtet von dem dramatischen Geschehen der Ermordung des Verstorbenen durch seinen Sklaven, der sich nach der Tat aus Angst oder Reue selbst in den Main stürzte. Als Ursache für den Mord ist eine grausame oder ungerechte Behandlung zu vermuten.

Die Reliefszene zeigt eine Herde aus vier Schafen und einem Widder, die unter zwei Bäumen weiden. Unter einem steht der Sklave mit der Peitsche in der Hand und den Hund bei Fuß. Die Inschrift ist der einzige antike Beleg für die Ermordung des Herrn durch seinen Sklaven in den germanischen Provinzen. Die Übersetzung des im ersten Jahrhundert nach Christus in Stein gemeißelten Grabgedichtes: „Iucundus, des Marcus Terentius Freigelassener, Viehzüchter. Vorübergehender Wanderer, wer auch immer es liest, bleib stehen und sieh, wie unwürdig dahin gerafft ich eitle Klage erhebe. Leben konnte ich nicht länger als 30 Jahre. Denn es entriss ein Sklave mir das Leben, und er selbst stürzte sich kopfüber in den Strom. Es raubte diesem der Main, was er seinem Herrn entriss. Sein Patron ließ auf seine Kosten diesen Stein setzen.“ 1900 Jahre später gibt das Grabgedicht den Handlungsrahmen für den Taschenbuchroman „Der Tod des Iucundus – ein Kriminalfall aus dem römischen Mainz“.

Quellen: Heimatspiegel Nr. 9 vom 22.10.1955, Boppert, Zivile Grabsteine in Mainz und Umgebung, 1992 Selzer, Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit, 1988 Foto: Epigraphische Datenbank Universität Heidelberg

 
Klassische Ansicht

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