Neues vom Stadtschreiber... Der Gänsezehnt

von Hans-Benno Hauf

Vergilbt, zerfleddert, schwer zu entziffern, teils unleserlich und gerade deswegen doch eines der wertvollsten historischen Büchlein Ginsheimer Geschichte: Das Gänsezehnt-Verzeichnis. Begonnen 1759, als Johannes Merle (geboren 1709 in Rauschenberg/Hessen Kassel, gestorben 30.12.1784 in Ginsheim) Pfarrer in Ginsheim wird. Beendet 1828, dem Anstellungsjahr von Pfarrer Ernst Emanuel Wickenhöfer, der bis 1842 amtiert.

61 Vor- und Familiennamen sind verzeichnet, die in Ginsheim leben und den Gänsezehnt abliefern. Durch die 69 Jahre der Aufzeichnungen lesen wir die Namen der Familien Rauch, Laun, Laubenheimer, Schneider, Volz, Kirschner, Reinheimer, Stieglitz und Traupel. Auch der 1799 erwähnte, im Gemeindebackhaus tätige Bäcker Konrad Hauf, aus Berkach eingewandert,  ist in den Aufzeichnungen zu finden.

Sicherlich war es ein romantisches Bild, wenn der Gänsehirt unseres Dorfes, den es noch bis in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gab, die Herde rheinwärts oder heimwärts trieb und die einzelnen Gänsefamilien genau ihren Heimathof kannten und dahin abzweigten. Leider gibt das Büchlein keinen Aufschluss über Transport und Empfänger der Zehntgänse, wenn die Abgabe anstand.

In der Zeit zwischen „Martini“1 und Weihnachten wurden wohl die meisten von der Hofgesellschaf des Großherzogs in Darmstadt verzehrt, doch ist anzunehmen, dass auch die Ginsheimer Pfarrfamilie einige bekommen hat. Zählt man die jährlichen Gänseabgaben zusammen, so gab es in Ginsheim 1770 mindestens 291, ein Jahr später 810 und 1781 nur 339 Gänse. Ob diese addierten großen Unterschiede so stimmen oder Indizien sind für eine allzu menschliche Schummelei zur Abgabenminderung?

Nun, Reichtum brachte die Gänsehaltung den Ginsheimern bestimmt nicht. Jede der vor über zweihundertfünfzig Jahren aufgelisteten Familien hatte nie mehr als vierzehn Tiere in Besitz und doch sind einige säumige Zehntpflichtige im Büchlein benannt.

Auf dem hinteren Einbanddeckel hält das alte Buch noch eine besondere Zugabe bereit. Vielleicht mit einem Gänsekiel schreibt die Pfarrerstochter: „Lust und Lieb zu schreiben, damit frohe und traurige Zeit vertreiben“, 1774, Fridericia Merle. Übrigens, erst im Jahr 1840 endete die Zeit der Zehntabgaben. Die Ginsheimer mussten dafür eine Ablösesumme in Höhe von 1094 Florint-Gulden und 30 Kreutzer aufbringen.

1 St. Martin 11. November;Quellen: nach Aufzeichnungen von Dr. Hildegard Kastrup

 
Klassische Ansicht

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