Neues vom Stadtschreiber ... Das Pfortenhaus

von Hans-Benno Hauf

„In der Ortsstraße dahier, durch welche der Weg nach Bischofsheim führt, befindet sich ein Missstand, dessen Entfernung schon mehrmals, aber vergeblich, beantragt wurde.“ Was meint der Ginsheimer Bürgermeister in seinem Schreiben vom 25. September 1843 an den Großherzoglichen Kreisrat Heim in Groß-Gerau? Die Straße – auch Rheingasse genannt – ist an einer Stelle, wo sich die alte Pforte durch die Dorfmauer befand, ist durch ein kleines, sehr hoch liegendes Gebäude[1] so eng, dass sich entgegenkommende Fuhrwerke nicht ausweichen können. Zudem fehlt in der Straße eine Abwasserrinne. Deshalb will der Gemeinderat Verhandlungen zum Abriss des „Pfortenhauses“ mit Zustimmung des Kreisrats führen. Dieser verfügt[2], darüber Bericht zu erstatten, welche Hindernisse dem Abbruch entgegen stehen könnten und wie diese zu beseitigen seien. Bürgermeister Traupel beschreibt[3] nach Einberufung des Gemeinderats ein gemeindliches Dilemma. Einerseits soll dem Missstand Abhilfe geschaffen und „unser Ort verschönert“ werden, andererseits müsste „die Sache noch einige Jahre ruhen“, weil die gemeindlichen Verbindlichkeiten die Steuereinkünfte weit übertreffen und im Folgejahr dies noch stärker erwartet werde. Und so erfahren wir, dass in den Jahren zuvor der Gemeindesäckel stark geschmälert wurde. Er benennt den Ankauf einer Feuerspritz, die Erbauung eines Spritzenhauses[4], das Umpflastern der Ortsstraße[5] und den Mehrbetrag zum Ortsdamm als hohe Ausgaben, die die Ortsbewohner größtenteils durch Umlagen aufbringen mussten. Und Traupel weist darauf hin, dass Ginsheim keinen Wald besitzt, aus dessen Erlös Zahlungen getätigt werden könnten. Um das Pfortenhaus abzureißen, ein neues für die Eigentümer zu bauen, die Gasse zu verbreitern und eine Abwasserrinne veranschlagt er Ausgaben in Höhe von mindestens 350 Gulden. Dieses Vorhaben müsse „noch einige Jahre unterbleiben“, gegengezeichnet von den Gemeinderäten Georg Laun, Heinrich Stahl, Philipp Hübner, Johannes Rauch, Peter Laubenheimer, Adam Schorr, Georg Göbel und Adam Müller.

Doch es ging recht bald weiter. Herr Gemeindebaumeister (!) Bernritter legt am 16. Juni 1844 dem Gemeinderat neue Berechnungen vor. Bürgermeister Traupel erzielt am 27. Juli mit den Eigentümerinnen des Pfortenhauses, den Witwen von Wendel Meffert und Johannes Bierbrauer, Einigkeit, ein neues einstöckiges Wohnhaus unter einem Dach mit einer Giebelscheidewand in der neu angelegten Straße auf dem gemeindeeigenen Gelände nach Zeichnung von Zimmermeister Mähn zu bauen. Zu den Kosten tragen Frau Meffert und Frau Bierbrauer 100 Gulden zu den Baukosten bei. Für das Gelände (13 ½ Klafter[6]) an dem alten Pfortenhaus, zahlt Nachbar Georg Wilhelm Roth, der Gemeinde 75 Gulden. Gemeindebaumeister Bernritter berichtet[7] Kreisrat Heim, dass das Versetzen des Pfortenhauses zu den von Zimmermeister Mähn veranschlagten Kosten in Höhe von 350 Gulden „nicht zu hoch“ sei. Durch Tieferlegen des alten Pflasters und Anlage eines Stückes Kanals entfalle der viele Klafter langem Kanal durch den Garten des Nachbarn Roth und erspare zudem 80 bis 90 Gulden Kosten. Dem stimmt Kreisrat Heim mit der Auflage zu, einen Vertrag darüber  in zweifacher Ausfertigung mit den beiden Witwen, Georg Wilhelm Roth und der Gemeinde unterschrieben ihm vorzulegen. Zahlungen seien in bar und erst dann zu erfolgen, wenn das alte Pfortenhaus abgebrochen und der Platz gereinigt ist, damit die Gemeinde „keine späten Nacharbeitskosten und Unannehmlichkeiten“ habe.

Wann das alte Pfortenhaus tatsächlich abgerissen, das neue erbaut, eine neue Abwasserrinne neben der neuen Straßenpflasterung hergestellt wurde, gibt die Akte im Mainzer Vorortarchiv nicht her. Irgendwann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedenfalls war der Gemeindesäckel etwas voller und der „Missstand“ behoben.


[1] Gelände, wahrscheinlich im Bereich heutige Hauptstraße 25

[2] mit Schreiben vom 2.10.1843 an Bürgermeister

[3] mit Schreiben vom 27.10.1843 an Kreisrat Heim

[4] heute Stegstraße 1

[5] damals Rathausgasse genannt

[6] im Darmstädter Raum 1 Klafter = 6,25 m²

[7] am 20.08.1844

 
Klassische Ansicht

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