Neues vom Stadtschreiber ... Der erste Ginsheimer Leseverein

von Hans-Benno Hauf

Dr. phil. Wilhelm Wägner, seit 1842 segensreich1 wirkender Pfarrer in Ginsheim, gründete 1849 einen Leseverein und stellte am 22. November die Vereinsstatuten2 auf. So mussten die Lesemitglieder Einwohner von Ginsheim sein und Bücher persönlich3 abholen. Jedes Lesemitglied erhielt für die Lesezeit von acht Tagen eins bis zwei Bücher, eine Verlängerung um acht Tage war möglich. Eine zweimalige Verlängerung war nicht möglich. Wurde das Buch nicht abgeliefert, erhielt der Säumige auf dessen Kosten eine Expresse. Beschädigte oder unbrauchbar gewordene Bücher musste das Lesemitglied ersetzen. Die Ausgabezeit war sonntags nach dem Morgengottesdienst, ungefähr zwölf Uhr, in der Wohnung des Schullehrers Buxmann. Dabei waren zwei Kreuzer per Woche beim Empfang zu zahlen. Neumitglieder hatten - für die Zeit nicht gerade wenige - zwölf Kreuzer Eintrittsgeld zu zahlen. Austretende verzichteten auf ihr Recht, weiterhin an der Bibliothek teilzuhaben.
Erhalten sind neben den Statuten auch eine Namensliste4 der 45 Mitglieder mit einer Aufschlüsselung der Anzahl der Ausleihen und die Inventar-Nummern der Bücher. Leider geht aus der Liste nicht hervor, um welche der insgesamt 47 erfassten Bücher es sich handelte. 

Ginsheim hatte 1850 etwa 1.100 Einwohner und es erstaunt, wie viele Familien und deren Mitglieder Zugang zu der Bibliothek hatten5. Erster auf der Mitgliederliste war Friedrich Becker, ein aus Geinsheim stammender Bierbrauer, der 1844 das Gasthaus „Zur schönen Aussicht“ baute6. Zweiter im Verzeichnis war Adam Schneider7, ihm folgte Michael Kröll8 und Adam Schorr, der 1856 Bürgermeister wurde. Mitglieder waren auch Balthasar Hauf, Gemeindebäcker in der Backhausgasse, Müller Nikolaus Ittner, Bürgermeister Traupel und die Gastwirte Georg Philipp Stahl und Peter Schäfer II. Es finden sich die Namen der Ortsbürger Amelung, Dauborn, Daum, Hebel, Hörr, Hübner, Kirschner, Kolb, Laubenheimer, Laun, Maas, Matthes, Philipps, Rauch, Reiß, Reinheimer, Roth, Silbermann, Stahl, Stieglitz, Trennhäuser, Volz und Wolf. Bedauerlich ist, dass nicht bekannt ist, wie lange der Vorläufer des heutigen Vereins „Lese-Eulen“ bestand und wo die Bücher verblieben sind.

Quellen:

  1. siehe auch „Ginsheimer Vergleichsverein oder Schiedsgericht von 1844“
  2. aus dem Original übertragen von Dr. Hildegard Kastrup
  3. oder von jemandem aus der Familie
  4. undatiert, vermutlich aus der Zeit zwischen 1849 und 1859, der Versetzung von Pfarrer Wägner
  5. bei angenommen durchschnittlich drei Generationen (8 Personen) im Haushalt
  6. heute Rheinstraße 1
  7. heute Rheinstraße 9
  8. einem Nachfahren von Johannes Kröll, Pfarrer in Ginsheim von 1709 - 1739
 
Klassische Ansicht

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