Neues vom Stadtschreiber: Die Ginsheimer Rathausglocke

Inschrift der Ginsheimer Rathausglocke
 

von Hans-Benno Hauf

Im 1. Weltkrieg wurden die Kirchenglocken der evangelischen Kirche eingezogen, um das Metall einzuschmelzen und Kanonen daraus zu machen. Um wenigstens nicht alle Kirchenglocken abzugeben, tauschten 1917 findige Ginsheimer die kleinste Kirchenglocke gegen die Schulglocke aus. Der Rettungsvorgang ist nirgends vermerkt, kein Protokoll hält fest, wer daran beteiligt war. So schützte man sich natürlich auch vor Schwierigkeiten für den Fall, dass der Austausch beanstandet worden wäre. Da der Austausch nie rückgängig gemacht wurde, kann sich das Rathaus rühmen, von einer barocken Kirchenglocke behütet zu sein und die Stadtverwalter dürfen des Glaubens sein, dass ihre Entscheidungen und Arbeit mit Hilfe der über ihren Häuptern schwebenden Glocke besonderen göttlichen Segen erhalten könnte1. Die Umschrift auf der Glocke lautet: „Gott allein die Ehr nach Ginsheim ich gehoer Peter Speck zu Mentz goss mich 1662 Petrus Wagner Pfarher Adolf Herman Hunn Schultheis Antonius Volz Philipus Helfmann beide Kastenmeister Wendel Laubenheimer Georg Medder Seniores Hans Schwarz Antonius Stahl Burgerm. Johannes Wermerus Schulmeister Philipus Kahl.“ Sie ist eine der wenigen erhaltenen Glocken aus dem Frühbarock in unserer Gegend, auf den Ton d´´ gestimmt, hat einen Durchmesser von 71 cm, eine Höhe mit Aufhängung von 72 cm und ist 180 kg schwer2.

Peter Wagner war von 1652 bis zu seinem Tod 1666 evangelischer Pfarrer in Ginsheim und wurde in der 1746 abgerissenen Kirche bestattet. Adolf Hermann Hunn amtierte als Schultheis von 1640 bis 1665 und Johannes Werner war von 1642 bis 1674 Lehrer in Ginsheim. Peter Speck ist 1618 als Bürger in Straßburg nachweisbar und wird 1639 dort als Glockengießer und Büchsenmacher erwähnt. Er wurde 1654 Bürger von Mainz, übernahm die Gießerei des Christian Klapperbach und blieb bis 16663. 1657 wurde er als Besitzer eines Krams am Mainzer Markt und des Gießhauses in der Münsterstraße genannt4. Nachweisbar ist eine Glocke von ihm aus dem Jahr 1654, gegossen für Ober-Olm5, eine weitere aus dem Jahr 1655 ist heute in Maria Einsiedel in Gernsheim. Nach seiner Mainzer Zeit kehrte er nach Straßburg zurück6.

Quellen:

  1. aus dem Buch „1900 – 2000, Schulgebäude Ginsheim“  
  2. nach Glockensachverständiger im Bistum Mainz, Günter Schneider
  3. Fritzen, Hans: "Die Mainzer Glockengießer" in der "Mainzer Zeitschrift 44/45", 1949/50
  4. aus: Norbert Jung, Heilbronn, "Auf den Spuren der Glockengießerfamilie Speck", Werkliste
  5. „Peter Speck ohn fer drohssen hat mich in Mentz nach Ober Ohlm gosen", 1654.
  6. Glockeninschrift 1669: „ Aus dem Feuer floß ich – Peter Speck in Straßburg goß mich!“
 
Klassische Ansicht

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