Neues vom Stadtschreiber: Die Ginsheimer Sonnenuhr - Teil 1

von Hans-Benno Hauf

Im Dezember 1966 schreibt Pfarrer Wilhelm Blum1 von der Zerstörung der Sonnenuhr auf dem alten Friedhof vor dem Gemeindehaus.

„Auf dem Platz neben der Kirche vor dem evangelischen Gemeindehaus stand an der südlichen Ecke eine Sonnenuhr, an der zerstörungswütige Elemente ihre überschüssigen Kräfte ausließen, was besonders deshalb bedauerlich ist, weil sie eines der wenigen Zeitdokumente in unserem Ort ist. Gewaltsam rissen diese Rowdies die eiserne Platte aus dem roten Sandsteinsockel und warfen die Sonnenuhr weg. Sie wurde erst am anderen Tage von dem Kirchendiener gefunden. Bei der „Demontage“ wurde auch der Steinsockel beschädigt. Über die Geschichte der Sonnenuhr, die auf ihrem Sockel die Aufschrift „Wilhelm Haenlein, geboren zu Mainz 17. November 1783, gestorben zu Rauchenau 25. April 1848“ trägt, ist nichts bekannt.2"

SonnenuhrDie Sonnenuhr wurde seinerzeit wieder aufgestellt. Viele können sich noch an sie erinnern. Sie wurde vor rund zehn Jahren abgebaut. Der Sandstein war so marode, dass eine Restaurierung nicht möglich war. Seit dem war die Idee im Raum, wieder eine Sonnenuhr mit den Grabsteindaten zu errichten. Und so begannen die Recherchen und die vorbereitenden Arbeiten.

Seit März steht die Replik des Ginsheimer Kleinods  vor der evangelischen Kirche und erinnert an die Ginsheimer Fischerzunft, an die Marktschiffer, an die Sonnenuhren des 19. Jahrhunderts, an den alten Friedhof neben der Kirche, auf dem heute das Gemeindehaus steht und an die alte Dammmauer, von dem ein Treppeneckstein als Fundament Verwendung fand. Bei der Finanzierung wurde der Heimat- und Verkehrsverein maßgeblich durch die Stadt Ginsheim-Gustavsburg unterstützt. Geholfen haben weiterhin der evangelische Kirchenvorstand, die Familien Rudolf und Peter Guthmann und der Servicebetrieb Bauhof. Beteiligte Firmen waren das Natursteinsägewerk Hintenlang in Gras-Ellenbach, der Steinmetzbetrieb Schmidt & Krenzer Ginsheim-Gustavsburg und die Sonnenuhrfachfirma Helios aus Wiesbaden.

Die Geschichte der Sonnenuhr

Wenn Pfarrer Blum vor fast 50 Jahren nichts über die Geschichte der Sonnenuhr wusste, dann muss der Grabstein des Wilhelm Haenlein schon vor dem Amtsantritt des Pfarrers 1925 in Ginsheim als Sonnenuhr vorhanden gewesen sein. Das nährt die Annahme einer Entstehung etwa in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts. Aus einer Zeitschrift für die landwirtschaftlichen Vereine des Großherzogtums Hessen aus dem Jahre 1843 ist nämlich ersichtlich, dass über die allgemeine Einführung von Sonnenuhren im Herzogtum Überlegungen angestellt wurden.3 Später wurden durch das Büro der Zentralbehörde der landwirtschaftlichen Vereine Bestellungen entgegengenommen. Weiterhin ist dokumentiert, dass der Kreis Groß-Gerau 40 Exemplare bestellte. Modelleur war Jakob Schröder in Darmstadt, dem 1854 die goldene Verdienstmedaille für Wissenschaft, Kunst, Industrie und Landwirtschaft verliehen wurde. Vielleicht wurde eine dieser Sonnenuhren auf der Grabsteinsäule des Wilhelm Haenlein von der Rauchenau montiert und die Ginsheimer konnten nun die Zeit ablesen, zumindest bei Sonnenschein. Übrigens: Die neue Sonnenuhr vor der evangelischen Kirche zeigt die Sonnenzeit4 an. Ist es mit dem Schattengeber 12.00 Uhr, so steht die Sonne genau im Süden, in diesen Tagen circa 40 Minuten nach mitteleuropäischer Zeit.

Quellen:

1) in Pfarrchronik der evangelischen Kirchengemeinde
2)siehe auch Otto Wenke in Chronik Ginsheim-Gustavsburg
3) Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Artikel von Dr. Adolph Hügel
4) Firma Helios, Wiesbaden

 
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