Neues vom Stadtschreiber ... Teil 2: Familiennamen in Ginsheim

von Hans-Benno Hauf

Um 1700 bestand Ginsheim also aus insgesamt 67 Anwesen. Darin enthalten sind eine hochherrschaftliche Hofreite, vermutlich in der heutigen Rheinstraße 9, eine Schrautenbachische Hofreite sowie das Backhaus und das Hirtenhaus der Gemeinde in der heutigen Backesgasse.

Wir wissen das heute, weil Schultheiß16 und Gemeinde alle Gebäude in Ginsheim vom Ortsgericht17 haben schätzen lassen.

Es gibt seit 300 Jahren und danach viele Familien gleichen Namens und viele der Männer trugen daneben auch den gleichen Vornamen. Verwechselungen waren unvermeidlich. Um dem abzuhelfen, wurde von Amts wegen jedem gleichlautenden Namen eine Zahl, das sogenannte Beizeichen, angefügt. Diese Beizeichen konnten nicht vererbt werden, weil die Sohne oft einen anderen Vornamen trugen. Sie wurden deshalb im Laufe einer Generation neu festgesetzt, weil durch Todesfälle Beizeichen frei wurden, andererseits neue für Heranwachsende gebraucht wurden. Diese Regelung wurde noch bis in das 20. Jahrhundert angewandt. Hans Ittner18 gibt dafür ein praktisches Beispiel für den Namen Johann Reinheimer:

Johann Reinheimer I. war der Büro-Schao, Verwaltungssekretär
der II.: Gross-Hannams-Schao
der III.: Bauschemer-Philipps-Schao
der V.: Schwarz-Hannes-Schao
der VI. Bäcker-Reinemers-Schao
der VII.: Maase-Michels-Schao
der VIII.: Schwarz-Schorsche-Schao
der IX.: Reinemer-Hanse-Schao
der X.: Adams-Schao.

Es gab aber nicht nur Unterscheidungen der Vornamen, sondern auch Beinamen nach dem Beruf, der Lage oder Besonderheiten der Häuser. Mit der Zeit wurde es zur Gewohnheit, dem alten Namen den Vornamen des Nachfolgers anzuhängen. Durch Erbgang, Einheirat, Kauf oder Verkauf kamen neue Bewohner und neue Namen in das Haus, nur der Name der alten Besitzer blieb fest mit dem Anwesen verbunden. Unterscheidungen waren auch Spott-, Spitz- oder sogar Schimpfnamen über Familien oder Familienangehorige. Eindeutig und treffend waren die Bezeichnungen für die Familien.

Hier eine kleine Auswahl: "Door-Hieweners" - die Toreinfahrt in der Hauptstraße bei Philipp Hübner gab den Namen. "s'Unkels" - eine Familie Volz bewohnte das erste Haus in der Backesgass. Herr Volz hatte eine stille, stets freundliche Art, deshalb wurde er in der Nachbarschaft "de Unkel genannt". Die einzige Tochter, später verheiratete Weber, war naturgemäß "s'Unkels-Liesje", "Bauschemer Philipps" (Familie Kranich) in der Rheinstraße. Der Großvater der Bäuerin namens Reinheimer stammte aus Bauschheim und so bürgerte sich seit der Heirat das Unterscheidungsmerkmal zu den Ginsheimer Reinheimer ein. 

"Adams Wilhelm" wird eine altbekannte Gastwirtschaft19 in der Rheinstraße gerufen. Ein Ahnherr der Reinheimer hieß wohl Adam, dessen Sohn auch Adam, war also der "Adams-Adam". Dessen Sohn der Wilhelm, also der "Adams Wilhelm" und dessen Sohn auch Wilhelm, sodass "Adams Wilhelm" beibehalten werden konnte.
"Guthmann an de Port" in der Rheinstraße20 - links neben der Hofreite zog sich einst der das alte Dorf schützende Graben entlang. Hier befand sich ein Durchlass zur Ortschaft, die Pforte. Das waren die Guthmanns an de Port zur Unterscheidung zu den Treppe-Guthmanns in der Hauptstraße, wo eine zweiseitige Steintreppe vor dem Haus das Wohnhaus bezeichnet. 

Auch von diesen wusste im Ort jeder, wer gemeint war, wenn die Rede war von Spengler-Schorsch (Ludwigstraße), Malers-Fritz (Ringstraße), Kies-Schrepfer (Dammstraße), Klickerwasser-Schrepfer (Backesgasse) oder von dem Schuster-Hermann (Rheinstraße). oder vom Besem-Heinrich (Rauch, Backesgasse). 

Der Großvater hieß Heinrich, brachte in seiner Jugend einige Zeit im Odenwald zu und lernte dort seine Frau kennen, in deren Familie noch das Binden von Reiserbesen ausgeübt wurde. Das junge Paar kam nach Ginsheim und setzte das Binden von Reiserbesen aus Birkenreisig auch hier fort. Heinrich Rauch erhielt so den Beinamen "Besem-Heinrich".

"Unneroffiziers" (Kirschner, Rheinstraße) - der Urgroßvater kämpfte im deutsch-franzosischen Krieg 1870/1971 als Unteroffizier. "Schwolleschee" (Volz, Mainzer Straße) - der Urahn diente im Feldzug 1870/71 bei der leichten Reiterei, bei den Chevauleger, (Chevaux = Pferd), auf gut ginsemerisch: Schwolleschee.

Und zum Schluss es "Bodder Dordche". Frau Dorothea Reinheimer, genannt Dordche, betrieb mit ihrem Sohn Willi bis zu ihrem Tode eine kleine Gaststätte. Ihr Schwiegervater, Peter Reinheimer, besaß seinerzeit neben der Wirtschaft eine Butterannahme bzw. -verteilungsstelle, weshalb er "Bodderpeerer" genannt wurde. Der Name übertrug sich auf seinen Sohn Michael, der Ehemann vom Dordsche. Deshalb war er de Boddermichel. Und der Sohn von Michael und Dorothea, der Willi Reinheimer, war deshalb de Bodder-dordscheswilli".
Dank an Frau Dr. Hildegard Kastrup, an deren Wissen ich teilhaben durfte und an Hans Ittner, der vieles zu alten Familiennamen in Ginsheim in einem kleinen Büchlein für die Nachwelt festgehalten hat und aus dem ich einiges zitiert habe.

Quellen:
16) Ghl Trauppel
17) Johann Traupel, Jacob Traupel, Philipus Rauch, Johann Atam
18) Haft, Georg Haft, Nikolauß Laubenheimer, Johann Philipus Voltz
19) Hans Ittner, Alte Familiennamen in Ginsheim - Selbstverlag, 1.9.1990
19) Gasthaus Stadt Mainz
20) heute Rudolf Guthmann

 
Klassische Ansicht

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