Neues vom Stadtschreiber ... Die Erzberger Straße

von Hans-Benno Hauf 

1889 wurde hinter dem Hochwasserdamm eine Verbindungsstraße zwischen dem im gleichen Jahr eroffneten Bahnhof und der Kostheimer Brücke errichtet und mit "Kostheimer Straße (2)" benannt.

Matthias ErzbergerNamensgeber der heutigen Straßenbezeichnung ist der Politiker Matthias Erzberger, geboren am 20.9.1875 in Buttenhausen im Konigreich Württemberg als Sohn eines Schneiders und nebenamtlichen Postboten. Am katholischen Lehrerseminar in Saulgau, Landkreis Sigmaringen, legte er 1894 die Volksschullehrerprüfung ab. 1896 begann er ein Studium des Staatsrechts und der Nationalokonomie im schweizerischen Freiburg, das er aber nicht abschloss, weil er im selben Jahr bereits als Redakteur für das katholische Deutsche Volksblatt in Stuttgart zu arbeiten begann. Gleichzeitig engagierte er sich in katholischen Arbeitervereinen, in der Zentrumspartei und beteiligte sich 1899 an der Gründung der christlichen Gewerkschaft in Mainz.

Als jüngster Abgeordneter 1903 in den Reichstag gewählt, repräsentierte er dort den neuen Typ des Berufspolitikers. Zu Beginn seiner Karriere trug er mit massiver Kritik an den Kolonialskandalen zum Rücktritt der Regierung Bülow und zu Neuwahlen (3) bei. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs übernahm Erzberger die Leitung der Auslandspropaganda des Deutschen Reiches und richtete einen Auslandsgeheimdienst ein. Im Verlauf des Krieges war Erzberger neben Karl Liebknecht der einzige Politiker, der offentlich die passive Haltung Deutschlands zur Politik der verbündeten Türkei kritisierte, dabei vor allem den Volkermord an den Armeniern, Aramäern und den verfolgten Griechen. Zunächst für einen "Siegfrieden" eintretend, plädierte er später für einen "Verständigungsfrieden" mit der Folge, dass die Mehrheit des Reichstags am 19.7.1917 der von ihm eingebrachten Friedensresolution zustimmte. 

Anfang Oktober 1918 ernannte der neue Reichskanzler Prinz Max von Baden Erzberger zum Staatssekretär ohne Geschäftsbereich. Er wurde zum Leiter der Waffenstillstandskommission berufen und unterzeichnete auf Wunsch Paul von Hindenburgs am 11.11.1918 als erster der vierkopfigen deutschen Delegation den Waffenstillstand von Compiègne, der die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendete. Im Kabinett Scheidemann Reichsminister ohne Geschäftsbereich wurde er unter Reichskanzler Gustav Bauer 1919 Finanzminister. Er führte bei seinen Reformen der Steuerverwaltung unter anderem den direkten Lohnsteuerabzug ein.

Durch die starke Zentralisierung der Steuereinnahmen und die Belastung großerer Vermogen zur Sanierung der Reichsfinanzen wurde Erzberger zur Zielscheibe und Hassfigur rechter Propaganda. 1920 überlebt er leicht verletzt ein Schusswaffenattentat in Berlin-Moabit. Am 26.8.1921 passten ihn zwei ehemalige Marineoffiziere und Mitglieder der Organisation Consul4, des Freikorps Oberland (5) und des Germanenordens6 bei einem Spaziergang in Bad Griesbach im Schwarzwald ab und trafen ihn mit sechs Schüssen. Schwer verletzt stürzte Erzberger eine Boschung hinab, wo er von den Attentätern mit zwei Kopfschüssen getotet wurde. Die Morder wurden 1933 amnestiert, 1947 bzw. 1950 zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, jedoch schon 1952 aus der Haft entlassen. Seit dem 26.8.2011 trägt der Festsaal des Bundesfinanzministeriums in Berlin den Namen "Matthias-Erzberger-Saal" (7).

Quellen:
1) Bundesarchiv, Bild 146-1989-072-16/Kerbs, Diethart/CC-BY-SA
2) Die Burg Nr. 10, Januar 1960
3) sogenannte "Hottentottenwahl" weil ihre Ursache und der Wahlkampf durch den Herero-Krieg (vor allem aber durch den Nama-Krieg) in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika bestimmt waren
4) nationalsozialistische geheime Terrororganisation in der Weimar Republik mit dem Ziel, durch politische Morde die junge Republik zu erschüttern
5) Wehrverband in der Weimarer Republik, später Bund Oberland, aus dem die Sturmabteilung (SA) 1921 in Bayern hervorging
6) deutsche Geheimgesellschaft, die 1912 in Leipzig zusammen mit dem Reichshammerbund gegründet wurde und antisemitische Ziele verfolgte
7) Texte im Internet teilweise aus Wikipedia, Deutsches Historisches Museum Berlin (Biografien), Bundesfinanzministerium vom 30.8.2011

 
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