Gedenkstätte "Im Rosengarten"

Stele II

Stele II zum Thema: Leben als Zwangsarbeiter 

Stele II - Tafel I

Ergänzung

Guy Lucas

Guy Lucas war einer von zwölf französischen Zivilarbeitern aus Bouguenais, die bei der M.A.N. Gustavsburg als Facharbeiter tätig waren. Er war 24 Jahre und gerade Vater geworden, als zur Arbeit nach Deutschland musste. Ab November 1942 lebte er im Ausländerlager der M.A.N. Gustavsburg auf dem Betriebsgelände und arbeitete als Schlosser. Vom 6. bis zum 20. Juli 1943 bekam er Urlaub für eine Familienheimfahrt. Nach dem Krieg stellte er der Gemeindeverwaltung seine Dokumente und Fotos zur Verfügung. Guy Lucas starb 2007.

Portrait
Postkarte
Bilder: Die Karteikarte von Guy Lucas aus der Gustavsburger Ausländerkartei 1940-1945 (Vorderseite)
Die Karteikarte von Guy Lucas aus der Gustavsburger Ausländerkartei 1940-1945 (Rückseite)
Bilder: Die Karteikarte von Guy Lucas aus der Gustavsburger Ausländerkartei 1940-1945 ( Rückseite)

Jan Biesheuvel

Anneke Biesheuvel-Borgli berichtete 2019, was ihr Vater bei einem Besuch bei ihrer Familie in Norwegen erzählte:

„Er wurde in Holland zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gezwungen, als er gerade 19 oder 20 Jahre alt war. Mein Vater war noch nie aus seinem Geburtsort herausgekommen, und jetzt sollte er nach Deutschland geschickt werden, ohne zu wissen, wohin und wie lange er wegbleiben würde. Er war der Älteste von 6 Kindern, seine jüngste Schwester, an der er sehr hing, war geistig behindert, er machte sich große Sorgen, was mit seiner Familie im Krieg passieren würde während seiner Abwesenheit. Seine Schwester Cataryna, die heute noch lebt, erzählte mir, dass sie ihren Bruder in der Nacht vor seiner Abreise bei der Mutter weinen hörte.“

Viel hat er mir nicht erzählt. Von Holland wurde er nach Frankfurt-Heddernheim geschickt. Er arbeitete wohl auf einer Brücke. In Gonzenheim bei Bad Homburg wurde er zu einer Firma, die Propeller herstellte, geschickt und wohnte bei einer Familie, die gut zu ihm war. Dann musste er nach Hagen in Westphalen. Dort erlebte er Bombenabwürfe auf den Bahnhof mit vielen Toten, ein Trauma.

Am 28. Juni 1944 kam Johannes Biesheuvel nach Mainz-Gustavsburg, zur M.A.N. Ginsheimer Straße 1 ist die Adresse des Ausländerlagers, des sogenannten „Rosengartenlagers“. Wo mein Vater jetzt eingesetzt war, weiß ich nicht. Aber er erzählte, er ging immer über eine Brücke über den Rhein zu seiner Arbeit.

Einmal ging er wieder über diese Brücke von der Arbeit Richtung M.A.N.-Lager, da kam ein Soldat auf der Brücke und rief: ‚Lauf, lauf, lauf!“ und mein Vater lief und lief Richtung Darmstadt. Bei einem Bauern wurde er aufgenommen. Ludwig hieß er, der Nachname war Mieter oder so ähnlich. Er hatte zwei junge Töchter. Auf dem Hof waren auch noch zwei Pferde, mit denen konnte mein Vater gut umgehen. Der Bauer war froh, dass er Hilfe hatte, mein Vater war ja Landarbeiter. Johannes Biesheuvel blieb hier, bis der Krieg zu Ende war und er von dort wieder nach Holland zurückkonnte. Die Bevölkerung zu Hause war sehr ausgehungert; meine Mutter wäre fast gestorben. Deshalb durfte er zunächst nur in den Süden und erst später wirklich zu seiner Familie zurückkehren. Mit einem sehr schweren Koffer aus Holz kam er eines Tages wieder heim.“

„Aber er war schwer traumatisiert. Die Holländer empfingen ihn auch nicht mit offenen Armen, keiner wollte wissen, was ihm widerfahren war. Das Land musste aufgebaut werden, jeder packte an und kümmerte sich nicht um die schlimme Vergangenheit. Wie so viele andere hat mein Vater sehr wenig über seine Zeit in Deutschland erzählt. Aber eines Tages, vor ungefähr 20 Jahren, als er bei mir in Norwegen auf Besuch war, fing er an zu erzählen. Ich war total überrascht und war nur imstande, einige Schlüsselworte aufzuschreiben.

Mein Vater gab mir eine wichtige Botschaft aus seinen Erlebnissen mit: "Es gibt nicht nur schwarz und weiß: in jedem Land gibt es auch gute Menschen, das soll man nicht vergessen.“


Glücklich, wieder zu Hause zu sein: März 1946 mit der Mutter
Foto: Glücklich, wieder zu Hause zu sein: März 1946 mit der Mutter

„2.114 beschäftigte zivile Ausländer aus 10 Nationen, davon 721 Ostarbeiter, davon 714 im Werk, 7 auf Baustellen“ (Interne Monatsberichte der M.A.N. Gustavsburg März 1945)

Die Suche nach Zeitzeugen unter denjenigen, die nach Kriegsende „hinter den Eisernen Vorhang“, d.h. in das Einflussgebiet der Sowjetunion nach Hause zurückkamen, erwies sich als sehr schwierig. In den 1980-Jahren gab es noch keine Archive und Organisationen dort, die Auskunft und Kontakte ermöglichten. In Deutschland waren der Suchdienst in Arolsen und die Zentralstelle in Ludwigsburg nur für Angehörige auskunftsbereit.

Die Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg erhielt zwar eine ganze Reihe von Zuschriften von Menschen aus den osteuropäischen Ländern, die für ihre Rentenanträge eine Bestätigung ihrer Zwangsarbeit in Deutschland benötigten; jedoch dachte niemand daran, hier nach Erlebnissen und Erfahrungen zu fragen und die Erlaubnis einzuholen, sie als Zeitzeugen zu befragen. Fast wären die hölzernen Kästen der Ausländerkartei Gustavsburg 1940-1945 mit der Umstellung auf EDV in der Gemeindeverwaltung wohl auch entsorgt worden – aber zum Glück konnten sie aus dem feuchten, staubigen Kellerraum in das Kulturamt in der Villa Herrmann umziehen und gesichert werden. Die systematische Auswertung steht noch aus.

Mit der Gründung von Memorial International in Moskau gab es seit Glasnost und Perestroika in Russland dann auch einen Partner für Forscher, die Kontakte suchten. Die in Deutschland endlich auf den Weg gebrachte Entschädigung der Zwangsarbeiter half dabei.

Doch für die M.A.N.-Gustavsburg sind wir immer noch auf der Suche. Vielleicht finden wir über die erst kürzlich gefundenen Namen und Adressen in der Ukraine, in Russland und in Weißrussland doch noch Familienangehörige der Männer, Frauen und Kinder, die 1942-1945 in Gustavsburg im Ausländerlager auf dem M.A.N.-Gelände lebten, am 19.3.1945 in einem Fußmarsch über Groß-Gerau und Darmstadt nach Griesheim geführt und in der dortigen Wagenhalle der Straßenbahn am 21.3.1945 von dem stellvertretenden Lagerleiter Adam Regner, den Wachleuten und Ortspolizisten unter Polizeioberstleutnant Jost zurückgelassen wurden.

Es bleiben die Namen von über 800 Menschen, derer wir gedenken.

Buchtitel: Für immer gezeichnet - Die Geschichte der Ostarbeiter


Stele II - Tafel II

Ergänzung

Misshandlung von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen in Gustavsburg

Die Vorwürfe gegen die Betriebsleitung der M.A.N. und die Leitung des Ausländerlagers wurden einige Monate nach Kriegsende laut. Dem neu gewählten Betriebsrat der M.A.N. war es zu verdanken, dass es zu formalen Anklagen und Spruchkammerverfahren kam. Aber der verantwortliche Lagerleiter wurde nicht in die Verfahren einbezogen, da er in einem US-Lager einsaß. Auch sonst gibt es viele Ungereimtheiten in den Vorbereitungen und dem Verfahren, der Weitergabe von Akten und Dokumenten und der Bestellung von Zeugen.

Eine tragfähige Gesamtbewertung der handelnden Personen vor dem Hintergrund des Übergangs der NS-Diktatur in die von den US-Amerikaners besetzte Zone und damit der Abtrennung von Mainz steht noch aus.

Einzelne konkrete Beispiele aus den Dokumenten und Protokollen im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden verdeutlichen aber die insgesamt bedrückende Lage der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen:

„Alle Russen waren froh, dass Herr Regner da war, denn Herr Paape war nicht so gut wie er. Er war unser Lagerführer und hat den Männern und Frauen die Haare abschneiden lassen, weil sie viel gestohlen haben, Kartoffeln, und in der Fabrik. Überhaupt war Regner sehr gut zu uns Russen. Wer etwas wollte ging zu ihm; wenn möglich, erfüllte Regner die Wünsche. Manchmal musste er schimpfen, weil die Leute nicht alles gemacht haben, wie er wollte. Aber geschlagen hat er niemand, ich habe es nicht gesehen, obwohl wir auch schlechte Leute im Lager hatten. An Weihnachten hat er geschmückt für uns.“ (Basansky, Iwan, der mit seiner Frau und seinen Kindern im M.A.N. Lager, nach dem Krieg bis 1949 im UNNRA-Lager in Mainz-Kastel lebte, Aussage am 22.7.1947 vor der Spruchkammer Groß-Gerau, HHStA Wi., Abt.520 GG, R4724, K.64)

„Als besonders blutrünstig hat sich Gutgesell den Ausländern gegenüber benommen. Er hat öfter zu den Wachmannschaften gesagt, ‚Schießt doch auf die Ausländer! Es passiert euch nichts.‘ Ich selbst habe den Ausländern öfters Essen zugesteckt, obwohl dies streng verboten war. Seitens von Gutgesell wurde der Wachmannschaft öfters mit der Gestapo gedroht. Lehrbach, Steininger, Gutgesell, Regner und Paape waren als fanatische Nazis bekannt und in ihren Maßnahmen gegenüber Andersdenkenden rücksichtslos. Das Verhältnis zwischen den Wachmännern und der Lagerleitung war immer ein gespanntes.“ (Heinrich Wagner, am 5.10.1947 vor der Spruchkammer Groß-Gerau, HHStA Wi., Abt.520 Groß-Gerau, R4724, K.64)

Aus dem Protokoll der Verhandlung zum Verfahren des Betriebsleiters der M.A.N. Gustavsburg, Richard Reinhardt, vor der Spruchkammer Groß-Gerau, 6.6.1947. Zu Vorwürfen, im Ausländerlager sei es zu Misshandlungen gekommen, wird der Wachmann N.N. vom Spruchkammervorsitzenden als Zeuge befragt:

Vorsitzender: Sind im Lager Misshandlungen vorgekommen? […]
Zeuge: Ich habe schon von Kameraden darüber gehört, aber selbst gesehen habe ich es nicht.
Vorsitzender: Wen halten Sie dafür verantwortlich?
Zeuge: Ich denke, die Lagerführung. […]
Vorsitzender: Wie beurteilen Sie Herrn Reinhardt?
Zeuge: Ich halte ihn für einen sehr korrekten Vorgesetzten, der sehr gerecht ist.
Vorsitzender: Glauben Sie, dass Herr Reinhardt mit evtl. Misshandlungen einverstanden war?
Zeuge: Das glaube ich nicht. Es war uns bekannt, dass es streng verboten ist, einen Ausländer zu treten oder zu misshandeln.
Vorsitzender: Ist das Ihnen öfter gesagt worden?
Zeuge: Öfter nicht, aber wir haben das unterschreiben müssen. […]
Ankläger: Wie erklären Sie es sich, dass dennoch Misshandlungen vorgekommen sind?
Zeuge: Das war wohl Sache der Einzelnen. Wo 1000 Menschen zusammen sind, kommt doch schließlich mal was vor. […]“
(Aus dem Historischen MAN-Archiv, Augsburg, 1.2. Dir.R. Reinhardt)

Im Bild rechts hinter den russischen Frauen der Schutzbunker für die Wachleute, der zur Bestrafung eingesetzt wurde.
Bild: Im Bild rechts hinter den russischen Frauen der Schutzbunker für die Wachleute, der zur Bestrafung eingesetzt wurde.

Neben der Wachstube stand ein 2-Personen-Bunker zum Schutz bei Fliegerangriffen für das Wachpersonal. Dieser 1m x 2m große Raum, in dem man auch einzeln nur stehen konnte, wurde als Strafzelle benutzt, wo mehrere Menschen die ganze Nacht über eingesperrt waren, auch Frauen.

Der Wachmann Peter Wanner sagte 1947 aus: „Die Ostarbeiterinnen waren mitunter ohne Fußbekleidung und Liegestatt und im Winter der grimmigen Kälte ausgesetzt.“ (HHStA Wi, 520, GG A.Regner,)

Meister Ewald hatte im Zweigwerk Weisenau einige russische Frauen als Arbeitskräfte. Als eine von ihnen wegen Fliegeralarm zu spät im Lager ankam, musste sie die Nacht im Strafbunker bleiben. Außerdem wurde das Lagerpersonal zudringlich. Als Meister Ewald dies hörte, sorgte er für Abhilfe. Die Frauen durften sich eine Wohn- und Schlaf-Baracke auf dem Baustellen-Gelände in Weisenau einrichten und mussten nicht mehr den langen Fußmarsch zum Gustavsburger Ausländerlager zurücklegen. (Interview 1986)

Ein Wachmann, Peter Wann aus Kostheim, sagte als Zeuge im Verfahren gegen den stellvertretenden Leiter des Ausländerlagers, Adam Regner, am 30.1.1947 aus:

Ich bin seit 1939 bei der Firma M.A.N. Werk Gustavsburg als Brenner und seit 1944 als Wachmann beschäftigt. Neben unserer Wachstube befand sich ein Bunker, der dazu diente, zwangsverschleppte Ostarbeiter, die sich irgendetwas zu Schulden hatten kommen lassen, mit einer Strafe zu belegen und die diese dort verbüßen mussten. Dieser Bunker hatte ein Ausmaß von 1 auf 2 Meter. Soweit mir bekannt ist, waren in diesem Bunker ab und zu zwei bis drei Mann zur Strafverbüßung untergebracht. Zum größten Teil wurden diese Häftlinge durch Paape und Regner dort eingeliefert. […] Die Ostarbeiter waren mitunter ohne Fußbekleidung und Liegestatt und im Winter der grimmigen Kälte ausgesetzt. Regner hat mehrfach angeordnet, dass den Häftlingen teilweise das Essen gesperrt wurde. Über die unmenschliche Behandlung wurde der Lagerleitung mehrfach Vorhaltung gemacht, diese Zustände zu beseitigen, jedoch ohne Erfolg. […] Dass Paape und Regner die Ostarbeiter öfter geohrfeigt und misshandelt haben, habe ich mehrmals wahrgenommen. Gutgesell, Steininger und Regner waren im Werk gute Nazis und als Mittelsmänner zwischen dem Werk und der Gestapo Mainz bekannt. Haenlein hat uns mehrfach aufgefordert, den Ostarbeitern bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Kreuz zu treten; dies wurde jedoch von uns nicht ausgeführt.“ (HHStA Wi, 520 GG AZ Regner.Adam 010)

Der Wachmann Martin Quetsch aus Laubenheim macht u. a. in demselben Verfahren folgende Angaben:

„Ich bin seit 1935 bei der Firma M.A.N. und seit 1942 als Wachmann beschäftigt. […] Die Lagerführung [zunächst Lehrbach und Regner, später Paape und Regner] ordnete in den meisten Fällen Essens- und Rauchwarenentzug an. Regner, Paape und Steininger waren reine Kettenraucher und es ist anzunehmen, dass sie die den Ausländern entzogenen Rauchwaren für sich oder auf eine andere Art verbraucht haben. Ich habe mehrfach wahrgenommen, dass Lehrbach die Baderäume der Ausländerinnen betreten hat, obwohl dies für Männer streng verboten war. Lehrbach war im Besitz einer Hundepeitsche und er hat bei Einlieferung eines Russen diesen mit der Hundepeitsche durch einen anderen Russen auspeitschen lassen (10 bis 20 Schläge auf das blanke Gesäß). […] Regner hat einer Russin für einen angeblichen Diebstahl die Haare abschneiden lassen.“ (HHStA Wi, 520 GG AZ Regner.Adam 014)

Der Zeuge Grimmel machte folgende Aussage:

„Er sei Wachmann im MAN-Lager gewesen und er habe auch Wahrnehmungen gemacht, dass Ausländer misshandelt wurden.

Ein Russe, der vom Ausgang zurückkam und ein Paar alte Lederschuhe anhatte, sei zum Lagerführer Regner bestellt worden, nachdem dieser davon Kenntnis erhalten hatte, da das Tragen von Lederschuhen für Ostarbeiter verboten gewesen sei. Regner habe den Russen gefragt, von wem er die Schuhe erhalten hat und als sich der Russe weigerte, darüber Auskunft zu geben, habe ihn Regner einsperren lassen. Unter den Wachleuten, die die Arrestzellen bewachten, habe es geheißen, dass der Russe nichts zu Essen und zu Trinken bekommen hatte, sei er (der Zeuge) als er gerade Wache hatte, selbst zu Regner gegangen und habe diesem gesagt, das ginge doch nicht, der Mann müsse doch etwas zu Essen bekommen. Regner habe ihm erwidert: ‚Der kriegt nicht eher was zu fressen, bis er sagt, von wem er die Schuhe hat, und wenn er verrecken tut.‘

Der Russe habe auch tatsächlich etwa 8 Tage lang nicht zu Essen, auch nichts zu Trinken bekommen. Er habe auch keine Decken mit in die Zelle nehmen dürfen, trotzdem es kalt war. Er selbst habe das nicht mehr mit ansehen können und habe, da sie die Schlüssel der Franzosenküche während der Nacht auf der Wache hatten, dem Russen etwas aus der Küche geholt und ihm zugesteckt, ohne Mitwissen des Lagerführers. So habe er dem Russen einige Male etwas zu Essen gebracht, auch habe er ihn nachts manchmal aus der Zelle herausgelassen, damit er sich am Ofen etwas wärmen konnte. […] er habe außerdem noch einen Wachmann Köppler aus Mombach als Zeugen für seine Angaben.“ (hhstaw 520 GG AZ Regner.Adam 0145)

Stele II - Tafel III

Ergänzung

Lydia Tollubko und ihr Ehemann Wladimir Tollubko kamen von Simferopol nach Gustavsburg. Als Bautechniker arbeitete er von Mai 1942 bis zum 19. März 1945 bei der M.A.N.

Iwan Basansky, russischer Staatsbürger, wohnte mit seiner Frau und zwei Kindern im Lager der M.A.N. arbeitete dort. Sie blieben nach dem Krieg als Staatenlose bis 1949 im UNNRA-Lager in Mainz-Kastel:

„Mein Arbeitsplatz war gut und ich habe ganz schön Geld verdient.“, sagte er im Juli 1947 vor der Spruchkammer Groß-Gerau aus. Auch seine Frau habe in der Fabrik gearbeitet, aber „als sie dort nicht mehr konnte“, wurde sie in der Lagerküche beschäftigt. Der stellvertretende Lagerleiter, Adam Regener, sei sehr gut zu den Russen gewesen, besonders zu seiner Familie. Er habe ihnen Kleider geschenkt. Manchmal musste er schimpfen, weil die Leute nicht alles gemacht haben, wie er wollte. Herr Paape war nicht so gut wie er. Er war unser Lagerführer und hat den Männern und Frauen die Haare abschneiden lassen, weil sie viel gestohlen haben, Kartoffeln und in der Fabrik.“ (HHStA Wi, 520 GG A.Regner)

Aus: Historisches Archiv Augsburg, Spruchkammerverfahren R. Reinhardt am 29.5. 1947, IMG_1735

Aussage von der Schneiderin Nadja Alferowa, *1.9.1907 auf der Krim, seit 1932 verheiratet mit dem Elektroschlosser Iwan Alferow, beide im M.A.N.-Lager (von Alzey kommend) vom 26.9.1942 bis 19.3.1945. Sie gehen mit Richtung Groß-Gerau, kehren aufgrund des Briefes des M.A.N. Direktors, der sie über einen Fahrradboten zur Rückkehr auffordert, wieder um und bleiben in Gustavsburg, bzw. Im UNNRA-Lager Mainz-Kastel. Deshalb konnte sie in Richard Reinhardts Spruchkammerverfahren 1947 aussagen:

„Es haben auch Männer in Weisenau geschafft. Sie haben bei Tag geschafft, und abends sind sie ins Lager heimgekommen. In der Zeit, als Bischofsheim ausgebombt wurde, mussten sie bei Tag in Weisenau schaffen und abends am Bombenloch.

Hier standen einmal drei Männer zusammen, weil sie müde waren. Da ist Herr Reinhardt gekommen und hat gefragt: ‚Warum Was steht ihr da?‘ Sie sagten: Wir sind müde, wir müssen am Tag arbeiten und in der Nacht.‘ Da hat der Direktor gefragt: ‚Warum habt ihr das nicht gesagt, wer hat Euch das geheißen?‘ – ‚Der Lagerführer.‘ Er hat daraufhin gleich gesagt: ‚Gleich heim und schlafen, und wenn ihr ausgeschlafen habt, dann kommt ihr wieder und schafft.‘ Der Direktor hat das ins Lager telefoniert.

Als sie ins Lager kamen, stand Paape schon vor dem Tor. Er hat sie gleich ins Badezimmer gerufen und Herr Lobatscheff, der Dolmetscher, war auch reingegangen. (Ich habe alles gehört, was im Badezimmer geschah, da mein Zimmer – die Schneiderstube – nebendran lag.)

Paape fragte, warum sie sich beim Direktor beschwert haben, weil sie die ganze Nacht nicht geschlafen hätten. Sie haben gesagt: ‚Wir haben uns nicht beschwert, wir haben gestanden, weil wir müde waren, da ist der Direktor gekommen und hat gefragt, warum so traurig.‘

Die drei Männer haben dann 25 Hiebe bekommen. – Nachher wurde ihnen noch gesagt: ‚Wenn der Direktor das nächste Mal wieder fragt, dann müsst ihr sagen, ihr habt geschlafen!‘“

Stele II - Tafel IV

Ergänzung

Mutter mit Kind
Kinder

Die M.A.N. Gustavsburg wollte schon im Ersten Weltkrieg vermeiden, Frauen einzustellen, um so die Lücken durch die als Soldaten eingezogenen Arbeiter zu schließen. (Siehe: Christine Hartwig-Thürmer, Frauen in der Rüstungsproduktion im Ersten Weltkrieg. Eine quellenkritische Betrachtung eines Textes aus dem M.A.N. Werk Gustavsburg aus dem Jahr 1940, in: Mainzer Geschichtsblätter, Heft 14, Mainz und der Erste Weltkrieg, Mainz 2008, S. 140-146)

Der Einsatz von Frauen aus Russland, der Ukraine, Polen und anderen Ländern der Sowjetunion wurde aber unumgänglich. So wurden die jungen Frauen nach ihrer Ankunft für vier Wochen in den Ausbildungsräumen des Gerberhauses angelernt und auch zum Bohren und Schweißen eingesetzt. Auch wenn Berichte von Zeitzeuginnen fehlen, zeigten die Aussagen von M.A.N.-Mitarbeitern in den Interviews, dass die Frauen persönlich geachtet und in ihrer Arbeitsleistung wertgeschätzt wurden.

Auch von wirklichen Liebesbeziehungen wurde berichtet, wie etwa eine Beziehung zwischen einem Meister und einer Russin, die beide gefährdete.

Unter den etwa sechzig Müttern, die zwischen 1943 und 1945 im Ausländerlager mit ihren Kindern lebten, waren zehn ledige Frauen. Der Gustavsburger Arzt, Dr. Polatzek, behandelte die Kranken im Lager und wurde von Dr. Gollas aus Alzey, Sanitätern, wie Bruno Pfeiffer, und Heilgehilfen aus den einzelnen Nationen unterstützt.

In der Realität des dauernden Arbeitskräftemangels im kriegführenden Deutschen Reich versuchten die Firmen, Maßnahmen in ihren Ausländerlagern zu ergreifen, die den Arbeitsausfall von Schwangeren und Müttern möglichst gering hielten.

Am 19. März 1945 gingen mindestens zwanzig kleine Kinder mit ihren Müttern und teilweise auch mit den Vätern auf den Fußmarsch nach Groß-Gerau, heraus aus der noch gefährlich umkämpften Mainspitze. Sechs Mütter hatten ihr Baby auf dem Gustavsburger Friedhof zurücklassen müssen: sie waren nicht einmal ein Jahr alt geworden. Todesursache: Ernährungsstörung.

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