Neues vom Stadtschreiber: Den Ginsheimer FaselstallDen Ginsheimer Faselstall gibt es schon lange nicht mehr. Er befand sich in der
Frankfurter Straße, dort wo sich heute der Kinderspielplatz befindet. Doch was
bedeutet das Wort „Fasel“? Im Duden ist als Erläuterung zu lesen: das
Zuchttier. Im Faselstall[1] erfolgte
also die gemeindeeigene Vatertierhaltung. Und die ist in Ginsheim ausweislich
alter Schriften schon lange nachweisbar. Das Faselvieh (Bullen, Eber,
Ziegenböcke) war in Privatbesitz von
mehreren Bauern und Gutshöfen, bis 1896/97 der Faselstall gebaut wurde. Schon 1449 wird ein Ginsheimer namens Seibel
mit einem Gulden bezahlt, weil er den Gemeindezuchtbullen in den Stall gebracht
hatte. Und 1558 sind Zuchtbullen- und Eberhaltung in Rechnungslegungen des
Bürgermeisters aufgeführt. 1784 erwähnt Landgraf Max Ludwig von Hessen das
Ginsheimer „Faßel-Vieh“. 1834 erstellt ein Schreiber ein Heberegister für das
Faselvieh in Ginsheim, unterschieden nach Muttervieh, Namensliste der Besitzer,
Anzahl der gedeckten Kühe und Namen der 105 Viehbesitzer. 1856 muss der Bürgermeiser dem Kreisamt über
die Anschaffung eines Faselochsen berichten.
1887 attestiert der Kreisveterinärarzt dem Peter Daum die „Beschädigung“
dessen Kuh durch den Gemeindezuchtbullen. Im September 1891 brannte nachts,
verursacht von einem Nachtlager suchenden Stromer, die Pfarrscheuer ab. Wegen
großer Gefahr für die Stallungen des Ph. Stahl I. in unmittelbarer
Nachbarschaft, wo das Gemeindefaselvieh stand, musste dieses in eine Seitengasse
der Rheinstraße evakuiert werden. 1918 brandversichert die Gemeinde drei
Bullen, einen Eber und zwei Ziegenböcke. Mit Wirkung zum 1. April 1919 legt der Gemeinderat die Vergütung des Faselwärters neu fest, 1926 schließen die Gemeinde und Phil. Horst über die
Faselviehhaltung einen Vertrag. Noch kurz vor der Eingemeindung nach Mainz erstellt die Gemeinde im Dezember 1929 eine Statistik
zur Faselhaltung. Beim Verkauf eines Faselochsen mit einem Gewicht von 20
Zentnern erzielt die Ortsverwaltung im
Oktober 1934 vierhundertfünfundsiebzig Mark. 1952 kauft der Gemeindevorstand zwei Ziegenböcke für den
Faselstall, zwei Jahre zuvor kostet ein angeschaffter Eber 400 Mark, 1953 ein
Faselbulle 1745 Mark. 1960 betragen die Deckgebühren für Rinder 14, für
Schweine 12 und für Ziegen 2,50 Mark. Am 15. Oktober 1970 wird die Schließung des Faselstalls wegen der hohen Unterhaltungskosten und der neuen Möglichkeiten der künstlichen Besamung beschlossen. Noch bis in das Jahr 2012 waren im Gemeindehaus Gelder für die Vatertierhaltung eingeplant und wurden Zuschüsse ausgezahlt. Auch künstliche Besamungen gibt es in Ginsheim-Gustavsburg inzwischen nicht mehr. Übrigens: 1908 beklagt der Bürgerverein Gustavsburg die
geplanten Haushaltsausgaben für die Unterhaltung des Faselviehs, des
Sprungplatzes, für den Kuhhirten und den Gänsehirten in Höhe von 4400 Mark, wo
doch in der Filiale Gustavsburg nur noch überwiegend Arbeiter und Beamte
wohnhaft seien und fordert zumindest teilweise eine Refinanzierung durch
sogenannte Sprunggelder. 1913 erstellen die Maurer Georg Fr. Bender, Peter Mathes,
Ph. Hübner und Georg Bender eine Mauer im Faselstall und verewigen sich durch
Einmauern einer Tafel mit dem Spruch „Hoch die Sozialdemokratie! Glück dem Finder“, gefunden beim Abbruch
des Faselstalls. In den 50er Jahren kam es in der Gemeindevertretung
wegen des Fasel-Ebers zu einer Kontroverse[2].
Damals waren zwei Eber eingegangen, ein dritter auf Kosten der Gemeindekasse
angeschafft worden. Ein Gemeindevertreter:
„Ich habe gehört, der neue Eber wäre auch schon wieder krank, kann man
den nicht versichern?“ Die belehrende
Antwort:“ Der neue Eber ist nicht krank, der ist sogar willig - nur etwas
träge!“ |