Neues vom Stadtschreiber: „Mischehe“von Hans-Benno Hauf Lydia Johanna Katharina Weishaupt wird am 8. Februar 1932 in Mörfelden als Tochter der christlich getauften Elisabeth Maria Weishaupt, geb. Rauch, und des jüdischen bekennenden Richard Weishaupt geboren. Die Eltern[1] von Richard ziehen 1925 aus Elmshausen nach Mörfelden und betreiben dort in der Elisabethenstraße eine größere Schneiderwerkstatt, in der neben den Familienangehörigen bis zu zehn Angestellte arbeiten. Vor allem für größere Konfektionsfirmen in Frankfurt. Richard erlernt das Schneiderhandwerk und arbeitet in Frankfurter Konfektionshäusern, Bruder Kurt[2] macht eine kaufmännische Lehre bei der Ledergroßhandlung Joseph Marx im Frankfurter Gutleutviertel, Adoptivbruder Paul Meyer[3] wird Modellschreiner im Kaufhaus Tiez in Frankfurt. 1931 heiraten Richard und Elisabeth Maria, die von Ginsheim nach Mörfelden in die gemeinsame Wohnung zieht. Mitte der dreißiger Jahre wirft der Schneiderbetrieb immer weniger Gewinn ab. Juden erhalten keine Aufträge mehr, die jüdischen Auftraggeber in Frankfurt werden „arisiert“. Schließlich muss Familie Weishaupt das Haus in der Elisabethenstraße in Mörfelden verkaufen. Eine Emigration 1937 in die USA scheitert. Adolf, Lisette, Richard, Elisabeth und Tochter Lydia ziehen 1938 nach Mainz. Im November 1938 wird der 60jährige Adolf dort verhaftet und ins KZ Dachau verschleppt. Elisabeth kann als Christin für die Kleiderfabrik Schmitt in Mainz Heimarbeit tätigen und ihrem Mann Richard eine illegale Tätigkeit verschaffen. Er muss allerdings Zwangsarbeit in einer Glashütte in Budenheim verrichten, kommt in Frankfurt-Heddernheim in ein Arbeitslager und sieben Wochen ins Mainzer Gefängnis. Eine Deportation bleibt ihm erspart, weil er, Elisabeth und Tochter Lydia in einer „Mischehe“ leben und in den letzten Kriegsmonaten unerkannt bei Verwandten seiner Frau Elisabeth in Ginsheim untertauchen können. Elisabeth kann ihr jüdisch erzogenes Kind Lydia schützen, indem sie beim „Amt“ in Mörfelden die Ausstellung eines Ausweises erreicht, der keinen Hinweis auf den jüdischen Glauben und den vorgeschriebenen Zusatznamen „Sara“ und „Israel“ enthält. Sie überleben und können 1946 von einem Auswanderungslager in Frankfurt-Sachsenhausen über Bremen in die USA auswandern. Lydia Weishaupt studiert in den Vereinigten Staaten von Amerika, wird Lehrerin, heiratet[4] und bekommt drei Söhne. Sie besucht 1976 Verwandte und Bekannte aus der Kinderzeit in Ginsheim und mit viel Interesse die Albert-Schweitzer-Schule. Bürgermeister Brunner legt ihr zur Erinnerung den Wappenteller der Gemeinde in den Reisekoffer. Sie lebt hoch betagt in Sunnyvale im USA-Staat Kalifornien[5]. Quellen: Lokal-Anzeiger 20.08.1976, Dokumentation
Stolpersteine Mörfelden-Walldorf, Briefe und Mitteilung von Lydia Pollak 2022,
Arolsen-Archiv, Stadt Ginsheim-Gustavsburg
[1] Adolf (*1878) und Lisette, geb. Weinberg (*1876, ins Ghetto Theresienstadt deportiert, 1942 umgekommen) [2] (*1913) flüchtet über Italien, Frankreich, Spanien und Portugal 1940 in die USA, stirbt 2004 in New York [3] (*1909) flüchtet 1937 in die USA [4] verh. Pollak [5] August 2022 |