Neues vom Stadtschreiber: Lora

von Hans-Benno Hauf

Lora heißt das allerliebste Ara-Federvieh des  Ersten Beigeordneten Wilhelm Reibold[1] und er hört aufs Wort, meistens jedenfalls, bis auf jenen Tag, als Frau Reibold den Garten mittels eines Gartenschlauchs bewässert. Lora verweilt indes auf einem Baum, bekommt jäh einen fürchterlichen Schreck, als sie – aus Versehen wohlgemerkt – mit dem kühlen Nass konfrontiert wird. Tief gekränkt flüchtet Ara auf Nachbars Haus und macht keine Anstalten zur Rückkehr. Auch die eilends vom Beigeordneten aus seinem Büro herbeigeschleppte Papageienbehausung lockt Ara nicht und das liebevoll geflötete „Lora komm“ bewirkt das Gegenteil:  Ara fliegt weiter und sucht sich einen Landeplatz auf einem Baum im Bansen. Wilhelm Reibold setzt samt Käfig hinterher – aber Lora überquert den Altrhein. Mit der Fähre setzt der Beigeordnete über zur Nonnenau, derweil sich Lora dort auf einem hohen Baum häuslich einrichtet. Trotz dreistündiger – allerdings einseitig geführter – Diskussion kehrt Reibold nach Hause. Der Papagei genießt die Freiheit und übernachtet auf der Insel.

Tags darauf rückt die Feuerwehr per Leiter dem Flüchtling auf die Federn. Aus 18 Meter Höhe beantwortet das liebe Tierchen den Angriff mit einem verächtlichen Gekrächze und entfleucht erneut. Tage später entdecken Kinder Lora auf der Neuauspitze. Die Feuerwehr rückt erneut aus und greift mit einem feuchten Segen aus einem Tanklöschfahrzeug an. Ortsbrandmeister Georg Stippler höchstpersönlich ordert die Wasserkanone und ein regelrechter Wolkenbruch ergießt sich auf Herrchen und Vogel, der mit einer Schimpfkanonade antwortet. Kurzerhand und leicht entnervt gibt Reibold das Kommando „Volle Pulle auf Lora“, die – vom Strahl getroffen – ihre Festung räumt. Klatschnass landen Ara und des Bürgermeisters Vertreter im Gras. Und nach gemeinsamer Erholung im Hause Dammstraße 53 klingt der Tag feucht-fröhlich, wie es sich gehört,  in einer „Lösch-Übung“ in einer Ginsheimer Gaststätte aus[2].

[1] während seiner Amtszeit im August 1980
[2] Quelle: Otto Wenke in Allgemeine Zeitung Mainz vom 23/24.08.1980