Neues vom Stadtschreiber: Hochwasserkatastrophevon Hans-Benno Hauf Friedrich Schorr beschreibt im Januar 1883 in seinem Tagebuch[1] in sehr anschaulicher Schilderung die Auswirkungen des Jahrhunderthochwassers 1882/1883 in Ginsheim. „Vom 23ten November an zeigte der Rhein und Main ein bedrohliches Steigen und schon am 27ten November wurde angefangen, nachdem der Main- und Eisenbahndamm[2] schon gebrochen waren, den Ortsdamm zu erhöhen durch ein Notdämmchen von zwei Fuß Höhe, wobei sich auch einige Bauschheimer Fuhrwerke beteiligten. Jetzt wurde Tag und Nacht gearbeitet und es gelang auch nach anfänglicher Mühe, den Ortsdamm zu halten, der an mehreren Stellen brechen wollte. Das meiste Vieh kam schon am 27ten nach Bauschheim. Am 28ten November hatte das Wasser seine größte Höhe erreicht, nämlich 5 Meter 93 Zentimeter oder nach althessischem Maß 23 Fuß und 7 Zoll. Am 29ten drückte das Quellwasser überall durch und das halbe Dorf war unter, ebenso auch unsere Scheuer, Ställe, Haus etc. Nach anhaltendem Regenwetter[3] waren wir schon am 28ten Dezember wieder genötigt, den Ortsdamm zu erhöhen. Unterdessen wuchs das Wasser trotz der vielen Dammbrüche bis zum 1. Januar 1883 morgens 7 Uhr. Auf einmal fing es an zu fallen und fiel bis Abend 50 cm und man schöpfte wieder Hoffnung, aber die Ursache war ein neuer Dammbruch bei Trebur, so dass das ganze Ried bis an die Bergstraße unterlief. Bis morgens am 2ten Januar war es wieder 12 cm gewachsen und wuchs stündlich noch 1 cm, so daß es schon etliche cm höher stand als am 28ten November. Durch die Erhaltung unseres Dammes beim ersten Hochwasser sicher gemacht, hatten die Leute ihr sämtliches Vieh noch zu Hause, aber es sollte sich bitter rächen. Um 6 Uhr des Abends brach auch unser Rheindamm am Kühlloch[4], so dass sich das Wasser rund um den Ort stellte mit Ausnahme des Holzweges, der noch frei war. Jetzt gab es ein allgemeines Flüchten, die Schweine wurden in die Höhe auf Heu- und Spreuböden gebracht und die Kühe und Pferde wurden mitten in der Nacht unter Regen, Sturm und Gewitter nach Bauschheim gebracht. Unterdessen wollte der Damm, der sich vom Holzweg nach dem Wingertsweg[5] zieht durch den ungeheuren Druck der Wassermassen und durch die kolossalen durch den Sturm aufgepeitschten Wellen brechen. Jetzt galt es auch hier, durch unermüdliches Arbeiten den Damm zu halten, was auch unter Anwendung von etlichen tausend Sandsäcken und unter ungeheuren Anstrengungen bis morgens gelang. Da aber das Wasser immer noch stieg, wurde am 3ten Januar morgens nach Mainz telegrafiert und militärische Hilfe erbeten, welche auch bis abends mit einem Boote eintraf. Es waren zwei Offiziere und 35 Mann Pioniere und ein Offizier vom 87ten Infanterie Regiment. Nur den großen Anstrengungen dieser Leute, die Tag und Nacht arbeiteten, gelang es, den Damm zu halten, um so noch größerem Unglück vorzubeugen. Das Wasser stieg bis zum 5ten Januar und erreichte eine Höhe von 6 unter 6, war also noch 13 cm höher als das erste Mal. War schon beim ersten Hochwasser das Dorf halb unter Wasser, so war es beim zweiten noch viel mehr der Fall, wo im Ort mit Nachen gefahren wurde und die Pioniere zum besseren Verkehr Brücken bauten. Möge Gott uns vor ähnlichen Katastrophen künftig bewahren.“ Danach wurden die Dämme rund um den Ort auf sechs Meter erhöht und vor der Ortslage 1895 zusätzlich die Damm-Hochwassermauer[6] gebaut. Beim nächsten Jahrhunderthochwasser im März 1988, 27 cm unter der Dammkrone in Höhe der Ginsheimer ev. Kirche, halten die Dämme. Nach umfangreichen Deichsanierungs- und erhöhungsmaßnahmen ist Ginsheim-Gustavsburg für ein sogenanntes zweihundertjähriges Hochwasser gewappnet. [1] mit freundlicher Genehmigung von Dr. Hildegard Kastrup, geb. Schorr [2] zwischen Bischofsheim und Gustavsburg [3] ergänzt von HBHauf [4] Rudolf Guthmann 2021: Dammbruch, Ackervertiefung am Rheindamm in Höhe der Gesamtschule vor der Weisenauer Brücke Richtung Gustavsburg [5] heute Mainzer Straße [6] abgerissen im August 2012 |