Deutsches Liedgut mit Akkordeonseligkeit runderneuert

Tango Transit
 

von Peter Schneider, freier Journalist

Ja, die Älteren wissen es wohl: Die teilweise unvergesslichen Melodien deutscher Volksweisen, die Oma noch auswendig konnte. Da klapperte die Mühle am rauschenden Bach und der Jäger aus Kurpfalz stürmte durch den Wald. Lange schon dümpelten diese durchaus sinnhaften Kompositionen in einer verschwindenden volkstümelnden Ecke vor sich hin und zum schenkelklopfenden Schlager wollten sie auch nicht so recht taugen.

Hier setzt nun die dreiköpfige Formation „Tango Transit“ an. Die Band besteht aus Akkordeonist Martin Wagner, Kontrabassist Hanns Höhn und dem Frankfurter Drummer Andreas Neubauer. Die Musiker sind in dieser Besetzung schon seit 2012 aktiv - zuvor als Duo - und haben bereits sieben Tonträger eingespielt. Meistens eigenwillige Bearbeitungen ihres ganz eigenen „Tango Nuevo“, doch auch Weihnachtliches wie auf ihrer CD „Engelrausch“. In den Burg-Lichtspielen in Gustavsburg ging es nun jedoch um das von der Band so genannte „German Songbook“. Die Künstler sagten sich wohl: was die Amis können, können wir schon lange. Also nahmen sie sich altes Volksliedgut vor, um es in ihren Kosmos zu transformieren. Hier wird mit den Stilistiken von Jazz, Blues Funk und vielem mehr gründlich entstaubt, ohne den „Markenkern“ zu zerstören. Oft Behutsam, manchmal abenteuerlich, doch mit ureigener Prägung.

Natürlich sollte eine gewisse Vorliebe für markante Akkordeonklänge vorhanden sein, denn dieses von Martin Wagner famos gespielte Instrument dominiert facettenreich bis auf gelegentliche - allerdings virtuose - Soli der beiden Mitmusiker das melodische Geschehen auf der schnuckeligen Bühne des Original-Retro-Lichtspielhauses. Das Konzept gelingt an diesem Abend hervorragend, auch ganz ohne Gesang. Die drei Könner verstehen es, die Aussage der Stücke akustisch mit großer Treffsicherheit umzusetzen, ohne trivial zu werden. Da knallt die Snare beim „Jäger aus Kurpfalz“ wie Schüsse im Wald und ein motorisch lebendiges Schlagzeug treibt im Second-Line-Groove „die Mühle am rauschenden Bach“ an. In der tragischen Mini-Oper „Es saß ein schneeweiß´ Vögelein“ steigern sich mollgetönte Harmonik und dräuende Tempi auf´s Beste. „Guten Abend euch allen“ lebt wie fast alle Stücke von fein ausgefeilter, sehr variabler Rhythmik, die keinen Moment Langeweile aufkommen lässt. Der „Bruder Jakob“ entfaltet die gleichen Harmonien wie
Wayne Shorters „Night Dreamer“, wer hat da wohl wen inspiriert? Plötzlich wird sogar „Hey Joe“ zitiert, bevor als Zugabe der einzige Tango des Abends, der schwirrende „Elfentango“ aus Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“, diesen zauberhaften Abend beschließt.

 

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